Sea-Watch: 17-Jähriger stirbt nach Rettung von Flüchtlingsboot

Sea-Watch: 17-Jähriger stirbt nach Rettung von Flüchtlingsboot
Rettungsorganisation will rechtliche Schritte prüfen
Auch nach mehrfachem Bitten um eine Evakuierung von mehreren Flüchtlingen von der "Sea-Watch 5" haben die Küstenstaaten laut den Helfern nicht gehandelt. Eine schnelle Reaktion hätte dem 17-Jährigen vielleicht das Leben retten können.

Frankfurt a.M. (epd). Die Hilfsorganisation Sea-Watch beklagt den Tod eines zuvor auf dem Mittelmeer von einem überfüllten Holzboot geretteten 17-Jährigen. Er sei am Mittwochmittag von der Crew der „Sea-Watch 5“ zusammen mit rund 50 weiteren Migrantinnen und Migranten an Bord des Rettungsschiffes gebracht worden. Die Küstenstaaten Italien, Malta und Tunesien hätten trotz entsprechender Bitten keine Evakuierung eingeleitet, erklärte Sea-Watch am Mittwochabend. Nun will die Organisation wegen des Todes des Jungen rechtliche Schritte prüfen, wie Sprecher Oliver Kulikowski dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag sagte.

Der 17-Jährige und drei weitere Gerettete seien bewusstlos unter Deck des Holzbootes entdeckt worden, wo sie nach Aussagen Überlebender ungefähr zehn Stunden Sauerstoffmangel und Benzindämpfen ausgesetzt gewesen seien. An Bord der „Sea-Watch 5“ habe der 17-Jährige einen Herzstillstand erlitten und sei zunächst wiederbelebt, später jedoch vom medizinischen Personal für tot erklärt worden.

„Wir sind traurig und wütend“, sagte Hugo Grenier, der Einsatzleiter an Bord der „Sea-Watch 5“. Europas Abschottungspolitik habe ein weiteres Opfer gefordert. „Trotz stundenlanger Bitten um eine medizinische Evakuierung ist kein Küstenstaat unserer Aufforderung nachgekommen“, sagte er.

In der Nacht meldete Sea-Watch auf der Plattform X, vormals Twitter, dass die italienische Küstenwache neun Stunden nach der ersten Evakuierungsanfrage vier Überlebende in kritischem Zustand von Bord geholt habe. Sie habe sich aber geweigert, die Leiche des 17-Jährigen mitzunehmen. Zwei der Evakuierten befänden sich in der Krankenstation auf der Insel Lampedusa, sagte Kulikowski dem epd. Die anderen beiden erhielten keine stationäre medizinische Behandlung mehr.

Die übrigen 51 Geretteten und die Leiche des Jungen muss die Besatzung Kulikowski zufolge zum 1.500 Kilometer entfernten Hafen von Ravenna bringen, trotz mehrfacher Bitten um die Zuweisung eines näheren Hafens. Zudem werde in den kommenden Tagen schlechtes Wetter mit hohem Seegang erwartet. „Wir wissen nicht, ob wir durchfahren können oder irgendwo auf Besserung warten müssen.“ Vor Montag werde Ravenna nicht erreicht.

Wegen des Todes des 17-Jährigen will Sea-Watch rechtliche Schritte prüfen. „Es ist erfahrungsgemäß aber sehr schwierig, jemanden haftbar zu machen, weil sich alle die Verantwortung gegenseitig zuschieben“, sagte Kulikowski. So habe Malta auf die Bitte um Evakuierung gar nicht erst reagiert, Tunesien habe sich für nicht zuständig erklärt, weil die Rettung in der libyschen Rettungszone stattfand, und Italien habe die Besatzung an Tunesien verwiesen, wegen der geringeren Entfernung zum nordafrikanischen Land. Es sei nicht klar, ob der Junge bei einer sofortigen Reaktion der Behörden überlebt hätte, sagte der Sprecher. „Aber es gab die Möglichkeit, dass er überlebt.“

Das Mittelmeer zählt zu den gefährlichsten Fluchtrouten weltweit. 2023 kamen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mehr als 3.000 Menschen bei der Überfahrt ums Leben, oder sie werden vermisst. Seit Beginn dieses Jahres sind es den Angaben nach bereits mehr als 250. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weit höher.

Am Donnerstagmorgen rettete die „Geo Barents“ von „Ärzte ohne Grenzen“ 261 Menschen aus zwei überfüllten Holzbooten, wie die Organisation mitteilte. Die Geretteten stammten aus zwölf Ländern. Um die Geflüchteten an Land zu bringen, seien der Crew die beiden weit entfernten Häfen von Livorno und Genua zugeteilt worden.