Duisburg, Brüssel (epd). Die Erweiterung der Brics-Staaten wird nach Einschätzung des Friedens- und Konfliktforschers Herbert Wulf den Druck auf die westlichen Staaten und ihre Institutionen erhöhen. Man habe es bisher versäumt, den Zusammenschluss ausreichend ernst zu nehmen, sagte Wulf dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Auf die aus meiner Sicht berechtigten Wünsche dieser Länder, die weltwirtschaftlichen Bedingungen zu verändern, ist man zu zögerlich eingegangen.“ Dies habe zur Stärkung der Gruppe geführt, deren Interessen man nun stärker berücksichtigen müsse als bisher.
Der Verbund aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika hatte am Donnerstag in Johannesburg beschlossen, in einem ersten Schritt auch Argentinien, Ägypten, Äthiopien, den Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate als Mitglieder aufzunehmen. Das Bündnis versteht sich als Gegengewicht zu den westlichen Industrienationen.
Damit werde der Druck auf weltwirtschaftliche Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank wachsen, erwartet der frühere Direktor des Friedensforschungsinstituts BICC. Auch UN-Generalsekretär António Guterres hatte auf dem Brics-Gipfel in Johannesburg gesprochen und die internationale Machtverteilung als überholt kritisiert. Gleichzeitig forderte er die uneingeschränkte Achtung der UN-Charta, des Völkerrechts und der Menschenrechte.
Laut Wulf spiegelt das den Konflikt, in dem der Westen stecke: „Es ist ein schwieriger Balanceakt, auf diese Staaten und ihre berechtigten Wünsche zuzugehen, und dabei die eigenen Normen und Werte hochzuhalten.“ Die Vereinten Nationen seien in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend marginalisiert worden, auch sie müssten ihre Rolle in dem sich verändernden Machtgefüge neu definieren.
Entgegen den Erwartungen habe der Ukraine-Krieg die Brics-Staaten nicht geschwächt, sondern gestärkt, sagte Wulf. Viele Länder des Globalen Südens sähen sich nicht in der Verantwortung, Sanktionen gegen Russland zu unterstützen, die womöglich den eigenen wirtschaftlichen Interessen entgegenstünden oder die Versorgungssicherheit bedrohten. Ressentiments gegen die westlichen Staaten seien zudem nach wie vor stark ausgeprägt. Dies sei auf den Kolonialismus und die immer noch als bevormundend empfundene Politik des Globalen Nordens zurückzuführen: „Dass beispielsweise die EU in der Lage ist, mit diesen Ländern auf Augenhöhe zu kommunizieren, muss sie noch beweisen.“
Angesichts des erklärten Ziels, die Vormachtstellung des Westens und insbesondere der USA zu schwächen, könne die Erweiterung aber auch zum Problem für die Brics-Staaten werden: „Die Heterogenität der Gruppe kann dazu führen, dass die politische Durchschlagskraft schwindet, und die Staaten weniger erreichen, als sie sich erhoffen“, sagte Wulf. Konflikte unter den Brics-Ländern, wie der um die Erweiterung des UN-Sicherheitsrates oder der Grenzkonflikt zwischen Indien und China, hätten die Gruppe auch bisher ausgebremst. Die Aufnahme neuer Mitglieder mache es schwieriger, gemeinsame Positionen zu finden.