"Klimaterroristen" ist Unwort des Jahres 2022

Menschen der Bewegung "Fridays for Future" streiken für das Klima in Berlin
© epd-bild/Christian Ditsch
Das Unwort des Jahres 2022 "Klimaterroristen" diffamiert und kriminalisiert friedliche Klimaaktivisten. So begründet die Jury ihre Entscheidung. Das Foto zeigt Demonstrierende von "Fridays for Future" in Berlin. (Archivbild).
Sprachentgleisungen diskriminieren
"Klimaterroristen" ist Unwort des Jahres 2022
Die Klimakrise, der Ukrainekrieg und der Migrationsdiskurs haben die Suche nach dem Unwort des Jahres 2022 dominiert. Mit dem auf Platz 1 gesetzten Ausdruck "Klimaterroristen" würden Aktivisten diffamiert und kriminalisiert, rügt die Jury.

Das Unwort des Jahres 2022 lautet "Klimaterroristen". Mit dem Ausdruck würden Klimaaktivistinnen und -aktivisten mit Terroristen gleichgesetzt. Das kriminalisiere und diffamiere sie, kritisierte die Sprecherin der sprachkritischen Aktion, Constanze Spieß, am Dienstag in Marburg. Auf den Plätzen zwei und drei landeten die Begriffe "Sozialtourismus" und "defensive Architektur".

Insgesamt waren 1.476 Einsendungen mit 497 verschiedenen Ausdrücken eingegangen. 55 von ihnen entsprachen den Unwort-Kriterien. Unter den häufigsten Einsendungen waren Sozialtourismus (71), Sondervermögen (54), (Doppel-)Wumms (52), Klima-RAF (34) und Klima-Terrorist(en) (32).

Die Aktion Unwort des Jahres rügt Wörter und Formulierungen, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie verstoßen, gesellschaftliche Gruppen diskriminieren, stigmatisieren und diffamieren oder die euphemistisch, verschleiernd oder irreführend sind.

Unwörter verstoßen gegen Prinzipien der Menschenwürde oder Demokratie

Der auf Platz 1 gesetzte Begriff "Klimaterroristen" diene der Diskreditierung von Menschen, die sich gegen die Erderhitzung engagierten, hob Spieß hervor. Durch die Gleichsetzung ihres Protests mit Terrorismus würden gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt. Der Ausdruck reihe sich in ein Netz weiterer Unwörter wie Ökoterrorismus oder Klima-RAF ein.

Platz 2 der Unwörter erneut "Sozialtourismus"

Der Ausdruck Sozialtourismus war bereits 2013 Unwort des Jahres. Weil der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz ihn 2022 im Zusammenhang mit Ukraine-Flüchtlingen wieder verwendet habe, um "gezielt Stimmung zu machen gegen unerwünschte Zuwanderung", habe ihn die Jury auf Platz 2 gesetzt. Sie sehe in diesem Wortgebrauch eine Diskriminierung derjenigen Menschen, die vor dem Krieg auf der Flucht seien und in Deutschland Schutz suchten. Zudem verschleiere der Ausdruck ihr prinzipielles Recht darauf. Perfide sei, dass das Grundwort Tourismus in Verdrehung der offenkundigen Tatsachen eine dem Vergnügen und der Erholung dienende freiwillige Reisetätigkeit sei.

Bei dem auf Platz drei gesetzten Ausdruck "defensive Architektur" handelt es sich nach Ansicht der Jury um eine militaristische Metapher. Sie bezeichne eine Bauweise, die gezielt marginalisierte Gruppen wie wohnungslose Menschen aus dem öffentlichen Raum verbannen möchte.

Das persönliche Unwort des Gastjurors Peter Wittkamp lautet "militärische Spezialoperation". Der Ausdruck sei eine zutiefst euphemistische Bezeichnung für einen aggressiven kriegerischen Akt, kritisierte der Autor und Werbetexter. Er sei nichts anderes als Propaganda, mit der der Kreml nicht nur die gesamte Welt und Deutschland belüge, sondern auch die Menschen in seinem eigenen Land.

Im vergangenen Jahr hatte die Jury mit "Pushback" einen Begriff aus dem Migrations-Diskurs gewählt. 2020 gab es mit "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften" erstmals ein Unwortpaar. Die Unwörter der Vorjahre lauteten "Klimahysterie" (2019), "Anti-Abschiebe-Industrie" (2018) und "alternative Fakten" (2017). Vor einem Monat hatte die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden "Zeitenwende" zum Wort des Jahres 2022 gekürt.

Die Sprecherin der Unwort-Jury, Constanze Spieß, ist Professorin an der Marburger Philipps-Universität. Weitere ständige Mitglieder sind die Sprachwissenschaftler Kristin Kuck (Universität Magdeburg), Martin Reisigl (Universität Wien) und David Römer (Universität Trier) sowie die Journalistin und Dozentin Alexandra-Katharina Kütemeyer.