Wie ukrainische orthodoxe Christen traditionell Weihnachten feiern

Valentyna Sobetska (l.) und Halyna Brukhouska mit dem Ährenstrauss Diduch, der Weihnachtsspeise Kutja und dem Getränk Uswar
© epd-bild/Ralf Moray
Das traditionelle ukrainische Weihnachtsfest ist mit viel Symbolik aufgeladen. Valentyna Sobetska (links) und Halyna Brukhouska mit dem Ährenstrauss Diduch, der Weihnachtsspeise Kutja aus Weizen und dem Getränk Uswar aus Trockenfrüchten.
Reichlich Symbolik am Heiligen Abend
Wie ukrainische orthodoxe Christen traditionell Weihnachten feiern
Noch feiern die ukrainischen orthodoxen Christen Weihnachten mit viel Symbolik am 6. Dezember. Doch schon länger schwelt ein Streit zwischen der russisch-orthodoxen und ukrainisch-orthodoxen Kirche um das Datum, den der Krieg befeuert.

Valentyna Sobetska gießt Uswar ein. Das rotbraune Getränk riecht rauchig - und schmeckt auch so, mit einer süßen, fruchtigen Note. Uswar gehöre in ihrem Heimatland zu Weihnachten, erklärt die Ukrainerin, die seit mehr als zehn Jahren mit ihrem Mann, dem Geschäftsführer des Internationalen Bauordens, Peter Runck, in Ludwigshafen lebt.

Der rauchige Geschmack kommt von gedörrtem Obst wie etwa Pflaumen, Aprikosen oder - wie in diesem Fall - Cranberries. Diese werden aufgekocht und mit Honig gesüßt. Über Weihnachten wird das Getränk mit gesegnetem Wasser aus der Messe an Heiligabend zubereitet. "Es steht symbolisch für das Leben, das Gott gibt." Auch der Honig habe eine symbolische Bedeutung. "Er reinigt die Seelen."

Nicht nur Uswar, auch zahlreiche Bräuche zu Weihnachten sind in der Ukraine symbolisch aufgeladen. Die Zeit bis Heiligabend, den ukrainische orthodoxe Christen nach dem julianischen Kalender erst am 6. Januar feiern, gelte als Fastenzeit, sagt die 53-Jährige. So kommen an Heiligabend traditionell zwölf vegetarische Speisen auf den Tisch - mit Ausnahme eines Fischgerichts. Als Kinder seien sie in der Dämmerung nach draußen geschickt worden, erinnert sich Sobetska. "Wenn wir den ersten Stern gesehen haben als Zeichen der Geburt Jesu, ging es los."

Weizenkörner als Symbol für Leben und Wiedergeburt

Immer beginnt das gemeinsame Familienessen mit Kutja, das Sobetska ebenfalls zum Kosten vorbereitet hat. Weizenkörner als Symbol für Leben und Wiedergeburt, Mohnsamen als Zeichen für das vergossene Blut Jesu und Honig gehören unbedingt hinein. Angereichert wird die Speise mit Nüssen und Rosinen, die für Reichtum, aber auch Großherzigkeit stehen.

Der Reihe nach - die ältesten am Tisch beginnen - esse jeder mit einem Löffel etwas Kutja. Die Löffel blieben anschließend liegen, "für die Ahnen zum Mitessen", erläutert Sobetska. Deren Seelen wird auch beim Essen einer Suppe - sei es vegetarisches Borschtsch, Sauerkrautsuppe oder Pilzsuppe - gedacht; nämlich dann, wenn der heiße Dampf beim Wegnehmen des Deckels entweiche.
Viele dieser Weihnachtstraditionen haben heidnische Ursprünge. Dazu gehört der geschmückte Ährenstrauß "Diduch" als Sinnbild für die Anwesenheit verstorbener Ahnen, aber auch als Erntedanksymbol. Halyna Brukhouska, die mit zwei Kindern im August aus der Ukraine geflohen ist und jetzt in Ludwigshafen lebt, erinnert sich an einen weiteren Brauch. "Meine Oma hat Heu unter den Tisch gestreut und darin Süßigkeiten versteckt." Das Heu erinnere an die Geburt Jesu im Stall.

Bescherung war schon am 19. Dezember

Eine Bescherung wie in Deutschland ist an Weihnachten unbekannt. Dafür bringt der Nikolaus - am 19. Dezember - Geschenke. Gaben sammelnd sind dafür an Heiligabend und den Tagen danach die Kolyadniki, das Pendant zu den Sternsingern, unterwegs von Haus zu Haus.

Auch wenn heute viele Ukrainer nicht mehr fasteten in der Weihnachtszeit, hielten dennoch viele an diesen in der Sowjetzeit verbotenen Traditionen fest. Wer auf Fleisch wert lege, schaue zumindest, dass es zwölf Speisen seien, sagt Sobetska.

Viele Flüchtlinge seien in der Fremde auf der Suche nach Zutaten für Kutja, hat Sobetska in sozialen Netzwerken festgestellt. Wegen des schon lange andauernden Konflikts mit Russland sei das Essen an Weihnachten aber in den Hintergrund gerückt. Stattdessen stünden Gebete, Gottesdienste und die Hoffnung auf Frieden im Mittelpunkt. "Mehr und mehr Leute gehen an Ostern und Weihnachten in die Kirche", sagt Sobetska.

Sobetska wird am Abend des 6. Januar einen ukrainisch-orthodoxen Gottesdienst in der Johanneskirche Mannheim besuchen. Gut möglich ist aber, dass dieser Gottesdienst irgendwann in der Zukunft am 25. Dezember gefeiert wird. Schon länger schwelt ein Streit zwischen der russisch-orthodoxen und ukrainisch-orthodoxen Kirche um den Kalender, den der Krieg befeuert. Im Oktober wurde es den orthodoxen Pfarreien in der Ukraine offiziell erlaubt, auch am 25. Dezember zu feiern. "Ich habe mit Pfarrern der Ukraine gesprochen, die darüber nachdenken", sagt Sobetska.