Missbrauchsbeauftragte nach EuGH-Urteil für Speichern von IP-Adressen

Missbrauchsbeauftragte nach EuGH-Urteil für Speichern von IP-Adressen
Nach dem EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung wird diskutiert, wie weit die vom Gericht erlaubten Spielräume genutzt werden sollen. Die Missbrauchsbeauftragte Claus stellt sich auf die Seite derer, die zumindest IP-Adressen sichern wollen.

Berlin (epd). Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung hat in Deutschland eine neue Diskussion darüber ausgelöst, welche Daten Sicherheitsbehörden zur Strafverfolgung zur Verfügung stehen sollen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekräftigte am Mittwoch in Berlin ihre Forderung, Provider zumindest zum Speichern von IP-Adressen zu verpflichten, um Täter ausfindig zu machen. Auch der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, forderte, diesen vom EuGH eingeräumten Spielraum zu nutzen. Die Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus hält die Speicherung von IP-Adressen für die Verfolgung sexueller Gewalt gegen Kinder ebenso für erforderlich.

„Ich gehe davon aus, dass die zuständigen Ressorts der Bundesregierung nun umgehend prüfen, wie der jetzt vom EuGH ermöglichte Spielraum zur Speicherung von IP-Adressen im Sinne des Kinderschutzes bei schwerster Kriminalität genutzt werden kann“, sagte Claus dem epd. Missbrauchsdarstellungen würden nicht nur auf Darknet-Plattformen, sondern überall im Netz massenhaft gespeichert. „Zur Aufdeckung dieser Straftaten müssen Sicherheitsbehörden die Täter identifizieren können“, sagte Claus: „Die IP-Adressen der Endgeräte können hier einen schnellen Weg weisen.“

Viele Meldungen, die deutsche Behörden aus den USA oder Kanada erhalten, könnten derzeit nicht nachverfolgt werden, weil keine Daten mehr gespeichert seien, sagte Claus. Nach den Worten von BKA-Präsident Münch werden die erforderlichen Daten derzeit in der Regel maximal eine Woche gespeichert. Komme die Abfrage später, könnten Täter nicht mehr ermittelt werden.

Der EuGH hatte am Dienstag in einem lange erwarteten Urteil die seit 2017 ausgesetzte deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Die anlasslose Speicherung sämtlicher Verkehrsdaten bei mobilen Telefonaten oder Internetnutzung erklärte er für rechtswidrig. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität könnten die Mitgliedstaaten jedoch unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine gezielte Vorratsspeicherung oder Sicherung von Daten vorsehen sowie eine Speicherung von IP-Adressen, erklärten die Richter. Mithilfe der IP-Adresse lassen sich Rechner, Smartphones oder Tablets identifizieren.

In der Bundesregierung ist eine Kontroverse um den Umgang mit dem Urteil entbrannt. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lehnt die Vorratsdatenspeicherung ab und verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem vereinbart wurde, nur eine „anlassbezogene“ Speicherung von Daten zuzulassen. Bundesinnenministerin Faeser wiederum spricht sich dafür aus, die vom EuGH genannten Spielräume zu nutzen, also Daten auch teilweise auf Vorrat zu speichern.

Faeser sagte, man müsse sich in der Debatte „ein Stück weit ehrlich“ machen. Man könne nicht aus anderen Ländern Daten nehmen, die auf Grundlage von Methoden erworben wurden, „die vielleicht nicht unseren Freiheitsrechten entsprechen“, wenn es in Deutschland zulässige Methoden gebe, die Freiheitsrechte wahrten, sagte sie und ergänzte: „Dann ist das die bessere Alternative.“

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte von der Bundesregierung „einen vernünftigen und effektiven Kompromiss“. „Der politische Streit um die Vorratsdatenspeicherung darf nicht dazu führen, dass der Polizei Möglichkeiten verwehrt bleiben, Kindesmissbrauch besser und schneller aufzuklären und Kinder zu schützen“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). Gerade im Kampf gegen Kindesmissbrauch sei der digitale Fußabdruck oft der einzige Ermittlungsansatz.