Gedenken an Anschlagsopfer von Hanau

Gedenken an Anschlagsopfer von Hanau
Am 19. Februar 2020 erschoss ein rassistischer Deutscher in Hanau neun Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Am zweiten Jahrestag erinnern Bundesinnenministerin Faeser und weitere Redner an die Opfer und rufen zum Kampf gegen Rechts auf.

Hanau (epd). Vertreter aus Politik, Gesellschaft und Religionen haben am Samstag in Hanau zusammen mit den Hinterbliebenen der Opfer des rassistischen Anschlags von 2020 gedacht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) drückte den Angehörigen ihr tiefes Mitgefühl aus. Zugleich kündigte sie eine „lückenlose und transparente Aufklärung aller Hintergründe dieses entsetzlichen Anschlags“ und ein entschlossenes Vorgehen gegen den Rechtsextremismus an. Dessen Bekämpfung habe für sie „oberste Priorität“.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte die Namen der Opfer des Anschlags in einem am Samstag auf Twitter veröffentlichten Video. „Ihr wart ein Teil unseres Landes, ein Teil von uns“, sagte er. Die Bundesregierung werde „Rassismus und rechten Terror entschlossen bekämpfen“. Es gehe darum, „Netzwerke von Extremisten wirksam abzuschalten“ und dafür zu sorgen, dass staatliche Behörden die Opfer und Hinterbliebenen unterstützen.

Bei der Gedenkstunde sprachen auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD), der Hanauer Imam Macit Bozkurt und mehrere Angehörige. Einige Hinterbliebene äußerten Kritik am Umgang der Behörden mit ihnen, an den bürokratischen Hürden für Entschädigungszahlungen und der Begrenzung der Zahl der Trauergäste auf dem Friedhof auf 100.

„Was ihnen angetan wurde, zerreißt mir das Herz“, sagte Faeser an die Familien der Ermordeten gerichtet und verwies darauf, dass ihre Liebsten „keine Fremden“, sondern Hanauerinnen und Hanauer gewesen seien. „Wenn der Attentäter Hanau spalten wollte, dann hat er das Gegenteil erreicht: mehr Zusammenhalt, Solidarität, Menschlichkeit. Die Opfer des 19. Februar 2020 bleiben für immer ein Teil von uns.“

Auch Faeser nannte jedes einzelne Opfer bei seinem Namen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe vor einem Jahr bei der Gedenkfeier in Hanau von der Bringschuld des Staates gegenüber den Angehörigen gesprochen. „Heute muss ich sagen: Diese Bringschuld ist noch nicht erfüllt. Es sind noch viele Fragen offen.“ Diese müssten im Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags geklärt werden.

Ministerpräsident Bouffier nannte Rassismus ein „Gift“, aus dem ein Hassklima entstehe, das schließlich zu schrecklichen Taten führen könne. Der Tod der neun jungen Hanauer sei eine Verpflichtung für die gesamte Gesellschaft, Rassisten energisch entgegenzutreten, immer und überall. Bouffier ging auch auf die Kritik der Angehörigen ein. Auch die Behörden hätten vor „außergewöhnlichen Herausforderungen“ gestanden, sagte er, „das schließt aber einen angemessenen und sensiblen Umgang mit den Angehörigen nicht aus“.

Der Hanauer Oberbürgermeister Kaminsky versprach, die Namen der Opfer würden niemals vergessen. „Wir nehmen ihren sinnlosen Tod als Auftrag, für Respekt, Toleranz und ein friedliches Miteinander einzustehen.“ Imam Bozkurt appellierte an die Politik: „Unsere Hoffnung ist, dass Politik und Behörden ihrer Verantwortung der lückenlosen Aufklärung bewusst werden, um verloren gegangenes Vertrauen wieder zu gewinnen.“ Die Grabstätten der Opfer seien „ein Mahnmal gegen Hass und Ausgrenzung“.

Unterdessen dämpfte Marius Weiß (SPD), der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses des Hessischen Landtags, die Erwartungen. „Wir können nicht alles aufklären“, sagte Weiß den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Im März werde zunächst ein Experte zu Einsatztaktiken das Handeln der Polizei nach dem Anschlag bewerten. Außerdem werde ein Gutachten über den Vater des Täters vorgestellt.

Der Attentäter hatte am 19. Februar 2020 hatte nicht nur die neun Menschen mit Einwanderungsgeschichte erschossen, sondern auch zahlreiche weitere Menschen verletzt. Anschließend erschoss er auch seine Mutter und nahm sich selbst das Leben.

Eine weitere Gedenkveranstaltung sollte am Samstag um 14.30 Uhr am Heumarkt in Hanau stattfinden. Um 16 Uhr war zudem eine Kundgebung gegen Rassismus auf dem Hanauer Marktplatz geplant. Auch in vielen anderen Städten in Deutschland wollten Menschen an die Opfer erinnern und für eine lückenlose Aufklärung des Attentats auf die Straße gehen.