Montgomery begrüßt Karlsruher Triage-Urteil

Montgomery begrüßt Karlsruher Triage-Urteil

Berlin, Essen (epd). Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Triage begrüßt. Ähnlich wie beim Transplantationsgesetz müsse der Gesetzgeber nun „Leitplanken“ definieren, nach denen sich medizinische Organisationen mit ihren Handlungsleitlinien richten müssten, sagte Montgomery den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Dienstag online). „Aber die Verantwortung für die Letztentscheidung wird immer bei Ärztinnen und Ärzten bleiben.“ Politiker und Richter könnten ja nicht im hochakuten Einzelfall die Entscheidung auf der Intensivstation treffen.

Das Verfassungsgericht hatte in einem am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten schriftlichen Beschluss entschieden, dass behinderte Menschen im Fall einer Überlastungssituation auf den Intensivstationen nicht benachteiligt werden dürfen (AZ: 1 BvR 1541/20). Im Rahmen der staatlichen Handlungspflicht müsse der Gesetzgeber „unverzüglich“ geeignete Vorkehrungen treffen, wie die Patientenauswahl für eine intensivmedizinische Behandlung, die sogenannte Triage, vorzunehmen ist.

Beim Transplantationsgesetz habe der Gesetzgeber „Dringlichkeit“ und „Erfolgsaussichten“ als entscheidende Kriterien festgelegt, darauf basierend habe die Bundesärztekammer Richtlinien formuliert, erläuterte Montgomery. „Das funktioniert und ist auch gut.“ Ähnlich könne das nun auch bei der Triage-Gesetzgebung passieren: „Der Bundestag definiert die Leitplanken, medizinisch-wissenschaftlich kompetente Organisationen formulieren die Handlungsleitlinien und passen sie entsprechend dem Stand der Wissenschaft an.“

Anlass des Rechtsstreits waren die im April 2020 veröffentlichten „klinisch-ethischen Empfehlungen“ der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), ein Zusammenschluss mehrerer medizinischer Fachgesellschaften. Die Leitlinien geben Kriterien vor, wie Ärzte Patienten für eine intensivmedizinische Behandlung bei zu wenig Klinikbetten auswählen können.

Die neun behinderten, überwiegend auf Assistenz angewiesene Beschwerdeführer rügten, dass die Divi-Empfehlungen sie wegen ihrer Behinderung diskriminierten. So müssten Menschen mit etwa neuronalen Muskelerkrankungen oder als „gebrechlich“ geltende Menschen bei der Behandlung hintanstehen. Der Staat sei hier in der Pflicht, bei einer pandemiebedingten Triage Vorgaben für die Patientenauswahl zu machen.