Ethikrat für Ausweitung der Corona-Impfpflicht

Ethikrat für Ausweitung der Corona-Impfpflicht
Im Bundestag steht eine Debatte über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht bevor. Auch der Ethikrat ist mehrheitlich dafür. Bei anderen Experten wachsen angesichts der Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen aber auch Zweifel.

Berlin (epd). Der Deutsche Ethikrat hat sich mehrheitlich für eine allgemeine Corona-Impfpflicht ausgesprochen. Wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme des Gremiums hervorgeht, befürworten 20 von 24 Mitgliedern eine Ausweitung der bereits beschlossenen Impfpflicht in Einrichtungen mit besonders von Covid-19 gefährdeten Menschen, allerdings in zwei abgestuften Varianten. Einen mit körperlicher Gewalt verbundenen Impfzwang lehnt der Ethikrat ab. Gleichzeitig empfehlen die Experten zur Umsetzung einer Impfpflicht die Einführung eines nationalen Impfregisters sowie viele niedrigschwellige Impfangebote. Die politische Debatte über die Impfpflicht dürfte damit wieder an Fahrt gewinnen. Es gibt aber auch Skepsis.

Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte den Ethikrat Anfang Dezember gebeten, über eine allgemeine Impfpflicht zu beraten. Nach einem Treffen der Regierungschefs und -chefinnen von Bund und Ländern bekräftigten die Länder am Dienstag ihren Wunsch, die Vorbereitungen „zügig“ voranzutreiben. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch), sie lade dazu ein, sich im Januar fraktionsübergreifend mit Fachleuten aus Wissenschaft und Gesellschaft über die Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht auszutauschen und dann anhand der Richtlinien des Ethikrates die einrichtungsbezogene Impfpflicht auf die Bevölkerung auszuweiten. Vereinbart ist bereits, dass über eine Impfpflicht ohne Fraktionszwang abgestimmt werden soll.

Die Forderung nach einer Impfpflicht wird von vielen unterstützt, unter anderem von Wohlfahrtsverbänden. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, die ebenfalls für eine Impfpflicht plädiert hatte, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Eine Eindämmung des Infektionsgeschehens ist letztlich nur über das Impfen möglich.“ Auch DGB-Chef Reiner Hoffmann sprach sich in der „Rheinischen Post“ (Mittwoch) für die allgemeine Impfpflicht aus. „Man muss die Bedenken der Impfskeptiker ernst nehmen, aber am Ende auch konsequent sagen: Jetzt sind wir nach 24 Monaten Pandemie in einer Situation, in der wir die Impfpflicht als Ultima Ratio brauchen“, sagte er.

In seiner Stellungnahme wägte der Ethikrat rechtliche Bedenken und ethische Grundsätze über Freiheit, Solidarität und Selbstbestimmung gegeneinander ab. In der Konsequenz votierten 13 Mitglieder für eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab dem 18. Geburtstag. Ihr Argument ist im Wesentlichen die nachhaltige Beherrschung der Corona-Pandemie. Sieben Ethikratsmitglieder plädierten dafür, eine Impfpflicht auf diejenigen zu begrenzen, die ein hohes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. Dies erscheine ausreichend, um das Ziel, eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden, zu erreichen, begründeten sie ihren Vorschlag. Vier Experten votierten gegen die Impfpflicht, wobei die Stimmen nicht namentlich zugeordnet wurden.

Zu den Ethikratsmitgliedern, die für eine auf gefährdete Gruppen begrenzte Impfpflicht sind, gehört die evangelische Theologin Petra Bahr. „Eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht für alle Erwachsenen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstützen“, sagte die Regionalbischöfin aus Hannover dem epd. Sie warnt unter anderem vor den Folgen: „Menschen, die bislang nur impfskeptisch oder abwartend sind, könnten in den Einfluss von radikalen Impfgegnern und verfassungsfeindlichen Kräften gelangen.“

Auch der Bonner Virologe Hendrik Streeck, der dem Corona-Expertenrat der Bundesregierung angehört, ist derzeit gegen eine allgemeine Impfpflicht. Die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die hochansteckende Omikron-Variante des Coronavirus sei zu gering, sagte Streeck dem Fernsehsender „Welt“: „Wo wir weder sagen können, wie lang die Schutzwirkung ist, wie lange die Schutzdauer sein wird, auch in Hinblick auf zukünftige Varianten, die kommen können, da kann man im Moment keine langfristige Empfehlung aussprechen.“

Skepsis gegenüber einer allgemeinen Impfpflicht kommt auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Sie müsse „muss vom Ende her gedacht werden“, sagte Vorstand Eugen Brysch dem epd. „Deutschland hat heute nicht die Infrastruktur, in relativ kurzen Intervallen 70 Millionen Menschen zu impfen.“ Ohne zentrales Impfregister sei „das ganze Vorhaben zum Scheitern verurteilt“, erklärte Brysch. Die bereits beschlossene Impfpflicht für das Personal bestimmter Einrichtungen tritt Mitte März 2022 in Kraft.