Gericht: Xavier Naidoo muss sich als Antisemit kritisieren lassen

Gericht: Xavier Naidoo muss sich als Antisemit kritisieren lassen
Dem Sänger Xavier Naidoo wird seit Jahren vorgeworfen, seine Musik enthalte rechtspopulistisches Gedankengut. Nun entschied das Bundesverfassungsgericht, dass er die Bezeichnung als Antisemit hinnehmen muss.

Karlsruhe (epd). Der Musiker Xavier Naidoo muss sich laut Gericht als „Antisemit“ kritisieren lassen. Wer sich selbst „mit seinen streitbaren politischen Ansichten freiwillig in den öffentlichen Raum“ begebe, müsse „eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert“, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Eine Referentin der Amadeu Antonio Stiftung hatte den Sänger in einem Vortrag als Antisemiten bezeichnet. Naidoo hatte daraufhin wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Unterlassung geklagt und vor dem Landgericht Regensburg sowie dem Oberlandesgericht Nürnberg Recht bekommen. (AZ: 1 BvR 11/20)

Die Referentin hatte in ihrem Vortrag am 5. Juli 2017 in Straubing über Naidoo gesagt: „Ich würde ihn zu den Souveränisten zählen, mit einem Bein bei den Reichsbürgern. Er ist Antisemit, das darf ich, glaub ich, aber gar nicht so offen sagen, weil er gerne verklagt. Aber das ist strukturell nachweisbar.“ Sie verwies dabei auf Naidoos Liedtexte. Darin heißt es etwa, dass „Baron Totschild“ den Ton angebe und auf euch „Gockel scheißt“. Zudem verwies sie auf eine Rede Naidoos bei einer Versammlung sogenannter Reichsbürger.

Naidoo fühlte sich wegen der Bezeichnung als „Antisemit“ nach eigenen Angaben in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte. Er sei nicht judenfeindlich, erklärte der Mitbegründer der Band Söhne Mannheims. Seine Liedtexte seien falsch gedeutet worden. Er habe 2005 sogar ein Konzert in Tel Aviv anlässlich des 40. Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen gegeben. Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg sah ebenfalls eine „erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung“, die hier gegenüber der Meinungsfreiheit Vorrang habe. Die Referentin habe keine „objektiven Beweise“ vorgelegt, dass Naidoo ein Antisemit sei.

Doch mit diesem Urteil werde die Referentin der Stiftung in ihrer Meinungsfreiheit verletzt, entschied das Bundesverfassungsgericht. Das Landgericht Regensburg muss daher neu über den Fall entscheiden. Das Gericht habe „die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit“ verkannt, erklärten die Karlsruher Richter. Wer selbst - wie Naidoo - im öffentlichen Meinungskampf Anlass zu einem abwertenden Urteil gebe, müsse „eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert“. Andernfalls wäre eine Kritik an den durch ihn verbreiten politischen Ansichten unmöglich, befand das höchste deutsche Gericht.

Die Amadeu Antonio Stiftung wertete die Karlsruher Entscheidung als Erfolg für die politische Bildung und für den Kampf gegen Antisemitismus. „Dieses Urteil schafft endlich Tatsachen und stärkt das Recht auf Meinungsfreiheit“, erklärte die Vorsitzende Anetta Kahane. „Wer sich antisemitisch äußert, muss sich auch öffentlich als Antisemit bezeichnen lassen dürfen“, sagte sie mit Blick auf Naidoo. Die Stiftung hatte die Referentin juristisch unterstützt.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, bezeichnete die Karlsruher Entscheidung als Ermutigung für alle Bürgerinnen und Bürger, gegen Antisemitismus einzutreten. „Im Kampf gegen Judenhass braucht es Menschen, die ihn klar und mutig benennen, wo immer er sichtbar wird“, sagte Klein den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Mittwoch online). Das Urteil stärke „die Mutigen in unserer Gesellschaft und damit unsere wehrhafte Demokratie“.

Naidoo wird bereits seit Jahren vorgeworfen, seine Musik enthalte rechtspopulistisches Gedankengut. Im Frühjahr 2020 musste er wegen eines Videos mit fremdenfeindlichen Aussagen die Jury der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ verlassen. Der NDR wollte Naidoo 2016 für Deutschland zum Eurovision Song Contest schicken, nahm die Entscheidung jedoch nach einer Protestwelle zurück.