Hilfsorganisation: Sanktionen gegen Taliban schaden auch Bevölkerung

Hilfsorganisation: Sanktionen gegen Taliban schaden auch Bevölkerung
Eiseskälte und kaum noch Geld von internationalen Gebern: In Afghanistan leiden die Menschen unter dem Winter und den international verhängten Sanktionen. Die Hilfsorganisation "Save the Children" warnt vor einer beispiellosen Hungerkrise.

Berlin, Kabul (epd). In Afghanistan leidet die Bevölkerung laut „Save the Children“ unter den gegen die Taliban verhängten Sanktionen. Das Gesundheitswesen sei in vielen Provinzen zusammengebrochen, sagte die Direktorin für humanitäre Hilfe der Organisation, Gabriella Waaijman, am Freitag in Kabul bei einer Pressekonferenz. Ärztinnen und Ärzte von Save the Children versorgten zurzeit bis zu 200 Menschen am Tag und damit deutlich mehr als vor der Machtergreifung der Taliban. Der Bedarf steige auch, weil das Gesundheitswesen aufgrund der finanziellen Sanktionen nicht mehr finanziert werden könne. „Es muss eine Lösung gefunden werden.“

Der Bedarf in der Bevölkerung könne nicht allein durch humanitäre Hilfe gestillt werden, sagte Waaijman. Nach der Machtübernahme der Taliban im August hatten mehrere Staaten ihre Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan ausgesetzt, darunter Deutschland. Auch die Weltbank hatte die für 2021 vorgesehenen Mittel in Höhe von 784 Millionen US-Dollar (667 Millionen Euro) blockiert. UN-Organisationen und Hilfsorganisationen sind im Land, um der notleidenden Bevölkerung zu helfen. Zudem versuchen laut der stellvertretenden Landesdirektorin von „Save the Children“ in Afghanistan, Nora Hassanien, afghanische Ärztinnen und Lehrer die Not zu lindern, indem sie ohne Bezahlung weiterarbeiteten.

Angesichts des Winters warnte die Hilfsorganisation vor einer beispiellosen Hungerkrise. Viele Eltern könnten ihre Kinder nicht ausreichend ernähren. Das führe auch zu einem Anstieg von Depressionen bei Müttern. „Die Frauen sehen sich zu Entscheidungen gezwungen, die sie unter anderen Umständen so nie getroffen hätten“, sagte Hassanien. Immer mehr Familien seien zu verzweifelten Maßnahmen gezwungen. So häuften sich Fälle von unfreiwilligen Adoptionen, wenn Eltern keinen anderen Ausweg wüssten, als ihre Kinder anderen Menschen anzuvertrauen. In diesem Winter könnte die Zahl hungernder Kinder demnach auf 14 Millionen steigen.

Die kalte Jahreszeit wirke sich verheerend auf die Menschen aus. „Tausende von Familien werden sich in diesem Winter kein Brennmaterial leisten können, um sich warmzuhalten, wenn die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt sinken“, sagte Hassanien. Dadurch seien Kinder der Gefahr vor Krankheiten oder sogar dem Tod ausgesetzt. „Die Zeit wird knapp, um den Kindern die lebensrettende Hilfe zukommen zu lassen, die sie brauchen, um den Winter zu überleben.“ In manchen Regionen fielen die Temperaturen auf minus 20 Grad.

Derweil warnte die Politologin Sajia Behgam vor einer Bildungskrise in Afghanistan. Die Bildungsbiografien vieler junger Afghaninnen und Afghanen seien seit der Machtübernahme der Taliban unterbrochen, sagte die afghanische Bildungs- und Frauenexpertin dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Viele staatliche Universitäten sind geschlossen.“ Bei privaten afghanischen Instituten laufe zwar einiges online. „Aber Jugendliche aus ärmeren Familien können sich ein solches Studium nicht leisten.“ Vor allem für junge Frauen seien die privaten Universitäten oft keine Lösung. „Wenn arme Familien Jungen und Mädchen haben, zahlen sie die Gebühren nur für die Jungen.“