Forderungen nach Umsteuern in der Corona-Politik mehren sich

Forderungen nach Umsteuern in der Corona-Politik mehren sich
Wegen der hohen Corona-Infektionszahlen dringen Wissenschaftler auf verstärkte Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Kanzlerin Merkel warnt vor "sehr schwierigen Wochen" und ruft abermals zum Impfen auf.

Berlin (epd). Angesichts rasant steigender Infektionszahlen mehren sich Forderungen nach einem Kurswechsel in der Corona-Politik. 35 führende Mediziner und Wissenschaftler anderer Disziplinen mahnten in einem Appell an Bund und Länder ein konsequenteres Vorgehen an. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte die sofortige Umsetzung strikter Maßnahmen, um die vierte Welle zu brechen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die Menschen in Deutschland am Samstag erneut eindringlich auf, sich impfen zu lassen, und sprach von „sehr schwierigen Wochen, die vor uns liegen“.

In dem dreiseitigen Aufruf der Wissenschaftler, den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Samstag) veröffentlichten, hieß es: „Jeder Tag des Abwartens kostet Menschenleben.“ Statt die Verantwortung für ein Brechen der vierten Welle zunehmend „ins Private“ und „in den Ermessensspielraum jedes einzelnen Menschen zu verlagern“, müsse die Politik endlich „ihrer Verantwortung umfassend gerecht werden“, mahnten die Experten.

„Die derzeitige pandemische Situation hat das Potenzial, die Situation aus dem Frühjahr und vergangene Wellen in den Schatten zu stellen“, warnen die Wissenschaftler. Das Infektionsgeschehen breite sich unkontrolliert aus, das Gesundheitssystem laufe Gefahr zusammenzubrechen. „Es ist für uns unverständlich, dass die Verantwortungsträger dieses Landes eine solche Situation zugelassen haben.“ Federführend verantworteten der Kölner Internist Michael Hallek und die Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann den gemeinsamen Text von Forscherinnen und Forschern aus allen Teilen Deutschlands.

Lauterbach sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Samstag), die Corona-Fallzahlen müssten dringend gesenkt werden. Er sprach sich unter anderem für eine 2G-Regelung in allen Freizeitbereichen und eine 3G-Regelung in allen Betrieben aus. „Leider ist zu erwarten, dass die Todeszahlen deutlich zunehmen und wir in wenigen Wochen den 100.000. Todesfall dieser Pandemie beklagen werden“, sagte der Gesundheitsexperte.

Merkel erklärte in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast, sie sei in großer Sorge angesichts des starken Anstiegs der Corona-Neuinfektionen, der hohen Zahl an Intensivpatienten und der erneut hohen Zahl an Todesfällen besonders in Regionen mit relativ niedriger Impfquote. Ärzte, Pflegekräfte und Intensivstationen stünden wieder am Rand der Überforderung. Alle bisher Ungeimpften rief die geschäftsführende Bundeskanzlerin dringend auf: „Überlegen Sie es sich noch einmal.“

Die Corona-Infektionszahlen erreichen in diesen Tagen die höchsten Werte seit Beginn der Pandemie. Das Robert Koch-Institut meldete am Samstag 45.081 Neuansteckungen mit dem Virus. Die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche (Sieben-Tage-Inzidenz) lag bei 277,4. Insgesamt 67,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind laut RKI-Daten vollständig gegen Covid-19 geimpft, 70 Prozent mindestens einmal.

Die Unionsfraktion im Bundestag bereitete unterdessen einen Antrag zum Fortbestand der epidemischen Lage von nationaler Tragweite über den 25. November hinaus vor. Angesichts der dramatisch steigenden Infektionszahlen und einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems sei die Voraussetzung für eine Verlängerung der epidemischen Lage gegeben, heißt es in dem Antrag, wie die Fraktion dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. Zuerst hatte die Düsseldorfer „Rheinische Post“ (Samstag) darüber berichtet.

Die Unionsfraktion will das Papier am kommenden Donnerstag im Bundestag zur Beratung und Abstimmung vorlegen. Nach dem Corona-Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP soll die bundesweite Corona-Notlage am 25. November auslaufen.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) verteidigte den Plan der Ampelparteien. Die notwendigen Entscheidungen zur Bekämpfung der Pandemie würden nun wieder im Parlament getroffen, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag online).