Missbrauchsbeauftragter hofft auf Rückenwind von Ampel-Koalition

Missbrauchsbeauftragter hofft auf Rückenwind von Ampel-Koalition
Der Missbrauchsbeauftragte Rörig drängt die möglichen Ampel-Koalitionäre, den Kampf gegen sexuellen Missbrauch auf eine breitere gesetzliche Grundlage zu stellen und sein Amt aufzuwerten. Zugute käme dies erst dem oder der künftigen Beauftragten.

Berlin (epd). Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat an SPD, Grüne und die FDP appelliert, den Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch deutlich zu verstärken. Rörig sagte am Freitag in Berlin, sein Amt und die Arbeit der Aufarbeitungskommission müssten gesetzlich verankert werden. Der oder die Beauftragte und die Kommission bräuchten Rechtssicherheit und zusätzliche Handlungsmöglichkeiten. Rörig will sein Amt abgeben, sobald die Nachfolge geklärt ist.

Er zeigte sich zuversichtlich, dass er bei den möglichen neuen Regierungsparteien Gehör findet: „Ich glaube, dass die Legislaturperiode, die gerade begonnen hat, die Legislaturperiode wird, in der die Bundespolitik angemessen auf das enorme Ausmaß von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche reagiert“, sagte er und warf der noch amtierenden Bundesregierung und den Vorgänger-Regierungen vor, „im Minimum“ geblieben zu sein. Die Grünen und die FDP hatten sich vor der Bundestagswahl für gesetzliche Regelungen ausgesprochen.

Das Amt gibt es seit 2010, als die Missbrauchsskandale in den Kirchen bekannt wurden. Die erste Beauftragte war die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD). Rörig ist seit zehn Jahren im Amt. Es wurde 2016 zwar vom Bundeskabinett entfristet, er arbeitet als Beauftragter aber ohne gesetzliche Rechte und Pflichten. Das hat zur Folge, dass Bund und Länder sich nicht kontinuierlich mit dem Thema beschäftigen müssen. Rörig hatte vielfach bemängelt, dass nur nach großen Skandalen auch gehandelt wurde, etwa als nach den Verbrechen von Lügde und Münster Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reuel (CDU) die Aufklärung und Verfolgung weiterer Täter zur Chefsache machte.

Rörig hat seine Vorschläge in einem Schreiben an die Ampel-Parteien sowie an die zuständigen Arbeitsgruppen in den Koalitionsverhandlungen unterbreitet, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Politik und Verwaltung sollen dauerhaft Verantwortung übernehmen für die Verfolgung von Tätern, die Prävention, die Aufarbeitung verjährter Taten und die Erforschung des Ausmaßes von sexueller Gewalt gegen Minderjährige.

Der oder die künftige Missbrauchsbeauftragte soll dem Parlament, der Regierung und dem Bundesrat künftig einmal pro Legislaturperiode einen Lagebericht vorlegen, fordert Rörig. Die Kosten eines erweiterten Amts bezifferte er auf eine Summe „im unteren zweistelligen Millionenbereich“, die leicht zu finanzieren sei, „wenn der politische Wille da ist.“ Derzeit verfügt der Beauftragte über einen Etat von acht Millionen Euro, wobei fünf Millionen Euro allein für eine Aufklärungskampagne eingestellt sind.

Die Länder müssten verpflichtet werden, mit dem Missbrauchsbeauftragten des Bundes zusammenzuarbeiten, weil sie für die Umsetzung aller Vorhaben zuständig seien, sagte Rörig. Zur Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Internet sollte der Bundestag eine Enquetekommission einrichten.

Auch Datenschutz und Kinderschutz dürften nicht länger als Gegensätze behandelt werden, sagte er. Dabei geht es vor allem um die umstrittene Vorratsdatenspeicherung. „Wir müssen aus dieser Konfrontation herauskommen“, drängte Rörig, damit „das Maximum getan“ werde, um die Täter zu stoppen. Das Netz werde mit Missbrauchsdarstellungen geradezu überflutet. Insgesamt sei seit Jahren kein Rückgang des unerträglichen Leids Tausender Kinder und Jugendlicher durch sexuelle Gewalt zu erkennen, sagte Rörig. Jeder Fall sei ein Fall zu viel.