Seehofer spricht sich für Staatsvertrag mit Sinti und Roma aus

Seehofer spricht sich für Staatsvertrag mit Sinti und Roma aus
Eine unabhängige Kommission wirft den Deutschen eine anhaltende Diskriminierung von Sinti und Roma vor. Der Innenminister verlangt, den Kampf gegen Rassismus zum Dauerthema zu machen und spricht sich für einen Staatsvertrag mit der Minderheit aus.

Berlin (epd). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat sich dafür ausgesprochen, die Verantwortung Deutschlands gegenüber der Minderheit der Sinti und Roma in einem Vertrag festzuschreiben. „Ich persönlich halte einen Staatsvertrag für notwendig“, sagte Seehofer am Dienstag in Berlin. Mit solchem einem Vertrag würden Bundesregierung und Bundestag Anerkennung und Respekt für die Minderheit ausdrücken, sagte er. Das allein sei nicht die Lösung gegen Antiziganismus, aber ein „wesentlicher Teil“. Nach Angaben von Seehofer und dem Vorsitzenden des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, laufen derzeit Verhandlungen über einen Staatsvertrag auf Bundesebene.

Die würden aber während seiner Amtszeit voraussichtlich nicht mehr abgeschlossen, sagte Seehofer, der mit der im September anstehenden Bundestagswahl seinen Rückzug angekündigt hatte. Staatsverträge gibt es Rose zufolge bereits zwischen dem Zentralrat und einer Reihe von Bundesländern. Nach Baden-Württemberg sei Bayern das zweite Bundesland gewesen. Den dortigen Staatsvertrag, der 2018 in Kraft getreten war, hatte Seehofer noch als Ministerpräsident des Freistaats ausgehandelt. Dies „gehörte zu den schwierigsten Fällen, die ich in meinem politischen Leben zu bewerkstelligen hatte“, sagte Seehofer und verwies auf Widerstände in der eigenen Fraktion.

Rose verwies auf den bereits bestehenden Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden. Auch er basiere auf der Erfahrung aus der Geschichte, sagte er mit Blick auf die Verfolgung auch von Sinti und Roma unter den Nationalsozialisten. Staatsverträge, die es auch mit den Kirchen gibt, sind zum Einen ein Bekenntnis zur partnerschaftlichen Kooperation des Staates mit dem Vertragspartner. Zudem sehen sie bestimmte Rechte, teilweise auch finanzielle Zuwendungen für die jeweiligen Gruppen vor.

Seehofer und Rose äußerten sich am Dienstag in der Bundespressekonferenz gemeinsam zum Bericht der vom Bundestag eingesetzten Unabhängigen Kommission Antisemitismus, der bereits im Mai von Kabinett und im Juni im Plenum des Bundestags beraten wurde. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass Diskriminierungserfahrungen für Sinti und Roma in Deutschland weiter Alltag sind, beispielsweise in Schulen, beim Kontakt mit Behörden oder Polizei oder in der Nachbarschaft.

Die Kommission gibt eine Reihe von Empfehlungen, um dagegen anzugehen. Dazu gehören die Forderungen nach einem Antiziganismusbeauftragten auf Bundesebene und einer Bund-Länder-Kommission. Zudem verlangen die Experten, die Schlechterstellung von im Nationalsozialismus verfolgten Sinti und Roma gegenüber anderen Opfergruppen zu beenden und Roma, die nach Deutschland geflohen sind, als besonders schutzbedürftige Gruppe anzuerkennen.

Für die allermeisten Forderungen der Kommission habe er hohe Sympathie, sagte Seehofer und ergänzte, er könne sich einen eigenen Beauftragten für das Thema vorstellen. Ein pauschales Abschiebeverbot für Roma, wie es die Kommission fordert, lehnte er aber ab. Rose appellierte an die kommende Bundesregierung, sich zeitnah an die Umsetzung der Empfehlungen zu machen. Er beklagte unter anderem, dass es zu wenig Materialien und Instrumente für den Kampf gegen Diskriminierung etwa im Schulunterricht oder in der politischen Bildung gebe.

Seehofer kündigte zudem an, seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin ans Herz zu legen, den Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung zum Dauerthema zu machen. Leider sei es immer so, dass man sich diesen Themen dann zuwende, „wenn etwas passiert“. Nach einer Diskussion über einige Tage und Wochen werde dann wieder zur Tagesordnung übergegangen. Das Thema sei „gesellschaftspolitisch neben dem Schutz der Bevölkerung der wichtigste Bereich“ seines Ministeriums, sagte Seehofer.