Mit Experimentierfreude den digitalen Dialog der Kirche gestalten

Volker Jung
Foto: Manon Priebe
EKD-Medienbischof Volker Jung und Gerhard Kneier, Vize-Präsident des Frankfurter Presseclub.
Mit Experimentierfreude den digitalen Dialog der Kirche gestalten
Wie sieht die digitale Medienarbeit der Kirche aus? Wie kommuniziert sie in Sozialen Netzwerken? Und welche Grenzen will man nicht überschreiten? EKD-Medienbischof Volker Jung über persönliche Erfahrungen, Strategien, Wünsche und absolute No-Gos.

Wer die Sozialen Netzwerke vollständig versteht, werfe den ersten Stein. Da hat sich Volker Jung, der Medienbischof der EKD, endlich eine Seite bei Facebook zugelegt, postet persönlich und regelmäßig zu relevanten Ereignissen, die Fotos sind ordentlich. Kurzum: Er gibt sein Bestes, die neuen Kommunikationswege für die Sache der Kirche zu nutzen. Doch welcher Beitrag erreicht schließlich die meisten Leute: Das Bild von Vater und Tochter beim Berliner Halbmarathon. 

Offen und selbstkritisch erzählt Volker Jung im Frankfurter Presseclub von seinen eigenen Erfahrungen in den sozialen Netzwerken und der Medienarbeit der EKD und EKHN.

Lange habe er gebraucht, selbst bei Facebook sichtbar zu sein. "Das Netz ist hart, Papa", warnte die Tochter. "Und jeder Post kann auch gegen einen verwendet werden", so Jung. "Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache ist auch immer eine Zeitfrage. Ich habe eine Weile gebraucht, mich darauf einzulassen." 800 Personen gefällt Jungs Seite. EKHN-Pressesprecher Volker Rahn erreicht mit seinem Profil 930 Freunde. Papst Franziskus folgen 12,6 Millionen auf Twitter.

"Ich habe den Eindruck, ich erreiche auf Facebook diejenigen, die nicht zum engeren Kreis der Engagierten und Kirchgänger gehören". Doch wie er aus der eigenen "Filterblase Kirche" hinaus Menschen erreicht, habe er noch nicht gelöst: "Ich bin für Tipps dankbar." Facebook setze auf Privatheit, sein Gesicht zu zeigen. Dabei gehe es doch – schon bei Luther – um die Botschaft, das Evangelium. "Eine große Herausforderung ist für mich: Wie kommuniziere ich auf Facebook persönlich, ohne mich zu inszenieren und mich selbst zur Botschaft zu machen?"

Kommunikation mit den zur Verfügung stehenden Mitteln

"Wir könnten mehr probieren; nicht unüberlegt, aber mit Experimentierfreude!" Ein denkbarer Weg wäre für Jung, "junge Leute mit Geld auszustatten und sie machen zu lassen": Doch das eher behördliche, schwerfällige Denken der kirchlichen Institutionen stehe dagegen. "Eine große Strategie kann wohl keiner entwickeln, die in fünf Jahren auch noch stimmt."

Und doch stelle sich ihm nicht die Frage, ob Kirche die digitalen Kommunikationswege nutzen sollte – sondern wie sie sich auf die veränderten Kommunikationswege der Jüngeren einstelle. Besonders im Jahr des Reformationsjubiläums, das auch ein Erinnern an Martin Luther ist, dem "großen Kommunikator". Jung zitiert Thomas Kaufmann, Luther habe in den ersten Jahren "um sein Leben geschrieben" und mit der dadurch erlangten Popularität das Leben gerettet. "Unsere Aufgabe als Kirche ist die Kommunikation mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln."

Die Kirche bedarf einer kommunikativen Plattform, die selbstverständlich genutzt wird. "Da fehlt noch so einiges", sagt Jung. Eines ist ihm dabei wichtig: Es muss qualitativ hochwertig gemacht und am Ende darf keine "Schmalspurtheologie" herauskommen. Nur einer der Vorwürfe, den die EKHN zum Segensroboter "BlessU-2" bekam. Darf man das? Wo fängt Blasphemie an? "Uns kam es nie darauf an, Pfarrer zu ersetzen. Wir haben eine Diskussion angestoßen: Was ist Segen? Wer darf segnen? Ist Segen ein magisches Wort? Segen ist es doch dann, wenn es etwas in mir auslöst." Überhaupt sei der Segensroboter gegen moderne Robotik und künstliche Intelligenz "nur eine kleine Spielerei". Die Kirche müsse vorbereitet sein, wenn zum Beispiel der Hersteller eines Pflegeroboters anfragt, was ein Pflegeroboter spirituell können müsse: soll er morgens Alten die Tageslosung vorlesen? "Sagen wir da "Teufelszeug" oder lassen wir uns darauf ein? Über diese  Dinge müssen wir reden. Vieles ist bereits möglich und die Kirche muss sich dazu verhalten!"

Doch Jung setzt auch Grenzen: Die Kirche kauft keine Daten, über austrittsgefährdete Mitglieder zum Beispiel. Wer googelt Kirchenaustritt? Wessen Klicks im Netz deuten auf einen Kirchenaustritt hin? Die Liste bekommt der Gemeindepfarrer jeden Montagmorgen und schaut dann bei den Leuten vorbei? Nein! Aber bei "echt praktischen Sachen – obwohl ich persönlich möglichst wenig von mir preisegeben möchte" - wie Fitnessarmbänder, die Blutdruckwerte an den Hausarzt weitergeben? "Wir als Kirche sind hier auch auf der Suche nach Antworten." Er hab im Urlaub "The Circle" von Dave Eggers gelesen und warnt vor einer neuen Form von Totalitarismus: "Wir müssen darauf drängen, dass beim Sammeln von Daten eine Grenze gezogen wird, sonst wir es problematisch." 

Er selbst spüre manchmal das Gefühl der Überforderung mit Informationsflut. "Das bremst dann eher meinen Elan" Jeder brauche ein eigenes Kommunikationskonzept. "Wir müssen die Kommunikationsmöglichkeiten passen für die Menschen machen, nicht andersrum!"