Lammert: Luther ohne modernen Freiheitsbegriff

Foto: epd-bild/Mathias Ernert
Lammert: Luther ohne modernen Freiheitsbegriff
Anders als die Politik handele Religion von Wahrheiten, die nicht durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden könnten, sagte der Bundestagspräsident.

Der Reformator Martin Luther ist nach den Worten von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kein Verfechter von modernen Grundrechten und Meinungsfreiheit gewesen. Mit seinen Attacken gegen Juden, Türken, Bauern und Baptisten wäre er kein Anwärter für den "Friedenspreis des Deutschen Buchhandels", sagte Lammert am Sonntag bei der Eröffnung der Lessingtage im Hamburger Thalia-Theater. Als Mann des Mittelalters sei sein Begriff von Freiheit strikt religiös gebunden gewesen. Ein individuelles Recht auf Religionslosigkeit etwa sei für ihn unvorstellbar gewesen. 

Anders als die Politik handele Religion von Wahrheiten, die nicht durch Mehrheitsbeschluss entschieden werden könnten, sagte der Bundestagspräsident. Damit eine Gesellschaft diese unterschiedlichen Wahrheitsansprüche aushalte, sei echte Toleranz notwendig. "Toleranz ist der große Bruder der Freiheit." Sie sei mehr als Kenntnisnahme oder Duldung des Andersartigen. Entscheidend sei die Bereitschaft, den anderen zu verstehen. Lammert: "Wenn es einen Gott gibt, dann haben wir alle denselben." 



Religionen werden nach Einschätzung Lammerts auch künftig anfällig für Intoleranz und Gewalt sein. Die Politik mit ihren Mehrheitsentscheidungen dagegen erhebe nicht den Anspruch auf Wahrheit. Die deutsche Verfassung gebe zwar einige unveränderbare Grundsätze wie die Würde des Menschen oder das Folterverbot vor, regele ansonsten aber lediglich den Ausgleich unterschiedlicher Interessen. 

Die diesjährigen Hamburger Lessingtage widmen sich bis zum 2. Februar dem Reformationsjubiläum 2017. Zum Programm zählen Theateraufführungen, Diskussionen, Kunstaktionen und Stadtführungen auf den Spuren des Dichters und Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing. Thema ist, wie die Umbrüche der Reformation vor 500 Jahren bis in die Gegenwart wirken. Dabei will das Thalia-Theater insbesondere das Verhältnis von Religion und Gewalt beleuchten.