Sonntagsöffnung: Käßmann plädiert für Entschleunigung

Sonntagsöffnung: Käßmann plädiert für Entschleunigung
Unmittelbar vor Beginn des Weihnachtsgeschäfts dringt der Einzelhandel weiter auf großzügigere Regeln zur Sonntagsöffnung.

Karstadt-Chef Stephan Fanderl forderte in der "Süddeutschen Zeitung" (Freitagsausgabe) bundesweit mindestens zwölf verkaufsoffene Sonntage pro Jahr. "Das wäre ein Einstieg in die generelle Sonntagsöffnung", sagte der Chef des Essener Warenhauskonzerns. Aus Sicht der evangelischen Theologin Margot Käßmann indes sind Ladenöffnungen an Sonntagen mitnichten Ausdruck eines gesellschaftlichen Fortschritts.

"Wer der totalen Vermarktung des Lebens etwas entgegensetzt, eintritt für Ruhezeiten statt kollektives Burn-out, Entschleunigung als Wert anerkennt, liegt im Trend", sagte Käßmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zudem könne niemand mehr Geld ausgeben, nur weil Geschäfte sonntags geöffnet sind. "Das ökonomische Argument zieht nicht", sagte Käßmann, die als Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das 500. Reformationsjubiläum im nächsten Jahr wirbt.

Käßmann: Verläuferinnen brauchen sonntags Zeit für sich

Der Handelsverband Deutschland hatte bereits Mitte November eine bundeseinheitliche Regelung verlangt. Ohne Anlass sollten zehn verkaufsoffene Sonntage pro Jahr möglich sein. Derzeit sind die Öffnungszeiten durch Landesgesetze geregelt. Meist sind jährlich vier verkaufsoffene Sonntage möglich. Bedingung ist jedoch ein Anlass wie ein Volksfest oder eine Messe, der zuvorderst die Menschen anzieht. Im Oktober hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die geplante Sonntagsöffnung zur Frankfurter Buchmesse gekippt, weil nicht klar sei, ob der Besucherstrom, den die Buchmesse für sich genommen auslöst, die Zahl der Menschen übersteigt, die allein wegen der Ladenöffnung kommen.

Einzelhandelsunternehmen halten die Gesetzeslage und die jüngste Rechtssprechung für rückständig. "Deutschland macht bei der Sonntagsöffnung gerade eine Rolle rückwärts", sagte Olivier Van den Bossche, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kölner Kaufhauskette Galeria Kaufhof, der "Süddeutschen Zeitung": "Während tief katholische Länder in Europa wie Italien und Polen mit der Öffnung der Läden am Sonntag kein Problem haben, fallen zahlreiche bereits von den Städten genehmigte Sonntage derzeit wie die Dominosteine." Die durchschnittlich vier erlaubten Sonntage pro Jahr sollten aus seiner Sicht "ohne komplizierten Anlassbezug" genehmigt werden.



Der Vorsitzende der Media-Saturn-Holding, Pieter Haas, sagte dem Blatt, es sei bemerkenswert, "dass gerade in einem fortschrittlichem Land wie Deutschland die Läden in der Innenstadt ausgerechnet dann geschlossen sind, wenn die Menschen Zeit zum Einkaufen haben".

Käßmann nannte es ein irriges Argument, in der Debatte die katholische Prägung von Ländern wie Italien und Polen anzuführen. Soziologen hätten nachgewiesen, dass protestantisch geprägte Länder wie Schweden und Dänemark, aber auch Deutschland besonders stark sozial engagiert seien. Und gerade für die Verkäuferinnen im Einzelhandel sei es eine soziale Frage, ob sie auch sonntags arbeiten müssen oder Zeit für sich und die Familie haben.