Rund 20 Strafanzeigen wegen Erdogan-Gedicht

Rund 20 Strafanzeigen wegen Erdogan-Gedicht
Nach seinem in der ZDFneo-Sendung "Neo Magazin Royale" verlesenen Schmähgedicht über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan droht dem Satiriker Jan Böhmermann Ärger mit der deutschen Justiz.

Mainz (epd) Bei der Staatsanwaltschaft Mainz gingen bislang bereits rund 20 Strafanzeigen ein, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit: "Die bereits eingegangen und mutmaßlich noch eingehenden weiteren Anzeigen werden alle in einem Ermittlungsverfahren zusammengeführt und bearbeitet." Ermittelt werde wegen des Verdachts auf eine strafrechtlich relevante Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten.

Kein Strafverlangen der Türkei

Die Mainzer Staatsanwaltschaft versuche zu klären, ob seitens der Türkei oder von Erdogan persönlich ein Strafverlangen gestellt worden sei. Nur dann könnte die Beleidigung des türkischen Präsidenten in Deutschland juristisch verfolgt werden. Der Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs sieht für die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter oder Regierungsvertreter eine Geld- oder eine bis zu dreijährige Freiheitsstrafe vor. "Zur Sicherung der Beweise wird beim ZDF ein Mitschnitt der Sendung angefordert werden", teilte Keller mit. Nach Angaben des Justizministeriums muss das Auswärtige Amt prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung vorliegen. Nach epd-Informationen liegt dort kein Strafverlangen der türkischen Regierung vor.

Wert der Meinungsfreiheit

Böhmermann war in der jüngsten Ausgabe des Magazins am vergangenen Donnerstag auf den Streit um den Satirebeitrag der NDR-Sendung "Extra 3" und die anschließende Einbestellung des deutschen Botschafters in Ankara eingegangen. Mit der Begründung, er wolle den Unterschied von erlaubter Satire und auch in Deutschland verbotener Schmähkritik erklären, verlas er ein Gedicht, in dem Erdogan wüst beschimpft wurde. Am Freitag wurde der Beitrag vom ZDF aus der Mediathek genommen. Der Sender ging auch gegen Youtube-Kopien des Böhmermann-Videos vor und ließ sie sperren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte das Gedicht von Böhmermann als "bewusst verletzend" bezeichnet. In dieser Einschätzung sei sich die Kanzlerin am Sonntag in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu einig gewesen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Merkel habe zugleich den hohen Wert der Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland hervorgehoben.