Frauen in Kuba: genauso viel wert wie ein Mann

Eine Teilnehmerin des Partnerprojekts mit dem Kubanischen Kirchenrat steht neben einem Regal mit Einmachgläsern.
Foto: WGT e.V.
Im Gender-Training lernen die Frauen, neue Einkommensquellen zu erschließen, zum Beispiel durch Gemüseanbau.
Frauen in Kuba: genauso viel wert wie ein Mann
Der Weltgebetstag unterstützt in diesem Jahr in seinem Gastland Kuba unter anderem ein Projekt für Geschlechter-Gerechtigkeit. Mit Geld aus den Gottesdienstkollekten werden sogenannte Gender-Promoterinnen ausgebildet: Sie wirken in ihren Gemeinden und Stadtvierteln, verschaffen den Frauen dort mehr Selbstbewusstsein und finanzielle Unabhängigkeit und kämpfen gegen sexuelle Gewalt.

Es gibt Reis mit schwarzen Bohnen, kreolisches Hähnchen oder Kochbananen. Dazu Salsa-Musik, und mancherorts werden bestimmt auch Fotos von weißen Sandstränden und Zuckerrohrplantagen an die Wand geworfen. Christen in aller Welt beschäftigen sich heute  am "Weltgebetstag der Frauen" mit Kuba, dem diesjährigen Gastland des WGT. Dazu gehören natürlich ein bisschen Landeskunde und kubanische Spezialitäten – im Mittelpunkt steht aber ein besonderer, ein ökumenischer Gottesdienst. Er wird jedes Jahr von Frauen aus einem anderen Land vorbereitet und in tausenden Kirchen weltweit am ersten Freitag im März gefeiert.

Die Gottesdienstordnung "Nehmt Kinder auf und ihr nehmt mich auf" hat ein Team aus 20 Frauen verschiedener kubanischer Kirchen gemeinsam gestaltet. "Ihnen geht es vor allem um die Frage: Wie können Christen sich einbringen in die gesellschaftlichen Veränderungen, die gerade in Kuba passieren?", sagt Petra Heilig, theologische Referentin des Weltgebetstages. "Die Gläubigen möchten den aktuellen Transformationsprozess im Land mitgestalten und zum Beispiel wieder Perspektiven für junge Menschen in Kuba schaffen."

Sich einbringen, konkret etwas für eine gerechtere Welt tun, das ist ein Anliegen der Weltgebetstagsbewegung. Fester Bestandteil der Gottesdienste sind deshalb die Kollekten – und dabei kommt in Deutschland traditionell einiges zusammen: Rund 2,73 Millionen Euro haben die Verantwortlichen beim Deutschen WGT-Komitee nach dem letzten Weltgebetstag insgesamt gezählt. Mit einem Großteil des Geldes unterstützt das Komitee weltweit Projekte für Frauen und Mädchen. Bis zu 65 Projekte werden pro Jahr neu bewilligt, dazu kommen noch einmal so viele laufende Projekte. "Ein Schwerpunkt liegt dabei natürlich immer auf dem jeweiligen Gastland, das ist auch den Gottesdienstbesuchern wichtig", sagt Cornelia Marschall. Sie leitet das Projektreferat des WGT in Deutschland und ist ständig auf der Suche nach interessanten Hilfsprojekten.

Expertinnen in Sachen Geschlechter-Gerechtigkeit

Im Juni 2014 ist sie dazu nach Kuba gereist: "Ich fand das Land damals schon extrem interessant – und ich konnte ja noch gar nicht ahnen, dass es wenige Monate später noch viel interessanter werden würde." Damit meint sie die politische Annäherung zwischen Kuba und den USA seit Dezember 2014 und die daraus resultierende Aufweichung des Kuba-Embargos. Den Menschen in Kuba hat das neue politische und wirtschaftliche Freiheiten gebracht. Cornelia Marschall und ihrem Team stellte sich die gleiche Frage wie den kubanischen Weltgebetstags-Frauen: "Was können kubanische Christen zu diesem Transformationsprozess beisteuern?"

Beim Kubanischen Kirchenrat für das Gender-Projekt zuständig: Pädagogin Magaly Perez, Psychologin Ofelia Bravo und Koordinatorin Gisela Blaya (v.l.).

Eine Menge, ist man sich beim Deutschen WGT-Komitee sicher – und hat insgesamt vier soziale Projekte ausgewählt, die mit Geld aus den Gottesdienst-Kollekten unterstützt werden. Darunter ein Hilfsprogramm für alte Menschen in Kuba, eine Kampagne gegen sexuelle Gewalt und zwei Projekte, die sich gezielt an kubanische Frauen wenden.

Wichtigster Partner in Sachen "Frauenarbeit" ist dabei der Kubanische Kirchenrat, ein Zusammenschluss traditioneller protestantischer Kirchen und Bewegungen in Kuba. Seit 2003 finanziert er mit WGT-Geldern ein besonderes Ausbildungsprogramm: Frauen aus verschiedenen evangelischen Gemeinden werden zu so genannten Gender Promoterinnen ausgebildet – also quasi zu Expertinnen in Sachen Geschlechter-Gerechtigkeit.

"Maskulinitäts-Training" speziell für Pastoren

Die lässt in der kubanischen Gesellschaft noch sehr zu wünschen übrig, findet Gisela Blaya vom Kubanischen Kirchenrat. Sie koordiniert dort das Gender-Projekt und erklärt: "Frauen tragen in Kuba neben ihrem Job die komplette Verantwortung für Haushalt, Kinder und die Pflege der Alten. Das führt zu einer enormen Überlastung. Viele Frauen werden in ihren Familien auch Opfer körperlicher Gewalt. Das ist ein großes Problem. Oft sind die Frauen aber ökonomisch von ihren Männern abhängig, weil sie alleine zu wenig verdienen um davon zu leben."

Damit sich die Situation der Frauen verbessert, muss sich in den Köpfen etwas ändern, glauben Gisela Blaya und ihre beiden Kolleginnen vom kubanischen Projektteam. An dieser Stelle setzt das Gender-Training an: In Workshops betreiben die Frauen zuerst gendersensible Bibel-Lektüre. Sie sollen erkennen: Gott hat mich als Frau geschaffen und ich bin genauso viel wert wie ein Mann. Aufbauend darauf geht es dann um Geschlechterrollen und -bilder, auch um innerfamiliäre Gewalt und Konfliktbearbeitung. Kenntnisse in Verwaltung und Buchhaltung sollen den Frauen dabei helfen, ihre Einkommenssituation zu verbessern – zum Beispiel mit Mini-Betrieben wie Änderungsschneidereien oder Gemüsezucht.

Das Konzept hat das deutsche WGT-Komitee überzeugt: "Das Ganze ist im Grunde eine Mischung aus 'Selbstbewusstsein fördern' und 'Gemeinschaftsleben fördern'", sagt Cornelia Marschall. 50 Gender-Promoterinnen hat der Kubanische Kirchenrat bisher schon ausgebildet, 30 weitere Frauen nehmen aktuell an dem Training teil. Wie viele von ihnen bis zum Schluss dabei bleiben, müsse man abwarten, so Marschall. Denn ohne die Zustimmung ihres Pastors dürfen die Frauen nicht zu den Workshops kommen. Und: Sie können jederzeit von ihm zurückbeordert werden. "Wenn der Pastor der Meinung ist, das Geschlechtergedöns interessiert ihn nicht, oder die Frau wird zu frech und aufgeschlossen, dann zieht er sie zurück", erklärt Marschall. "Das Projekt-Team kann dagegen nichts tun."

Welchen Handlungsspielraum die fertig ausgebildeten Gender-Promoterinnen in ihren Heimatgemeinden haben, hängt ebenfalls vom Pastor ab. Gisela Blaya und ihre Mitstreiterinnen wollen deshalb versuchen, auch die Männer ins Boot zu holen. Im März beginnt ein so genanntes "Maskulinitäts-Training" speziell für Pastoren. Sie sollen dazu angeleitet werden, die eigenen Geschlechterbilder zu hinterfragen. "Wenn die Pastoren im Alltag in ihrer Gemeinde Vorbild sind für ein faires Miteinander von Frauen und Männern, dann haben wir als Kirche dazu beigetragen, dass unsere Gesellschaft gerechter wird", findet Gisela Blaya.

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