Amnesty: Internationale Gemeinschaft versagt bei Krisen

Eine Frau und zwei Kinder im Flüchtlingscamp Qab Elias im Libanon.
Foto: dpa/Wael Hamzeh
Flüchtlingscamp Qab Elias im Libanon: Mehr als 1,5 Millionen Syrer sind in den Libanon geflohen.
Amnesty: Internationale Gemeinschaft versagt bei Krisen
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der internationalen Gemeinschaft Versagen bei der Lösung von weltweiten Krisen vor.

Berlin (epd)"Nur eine konsequente auf Menschenrechte basierte Politik hilft, langfristig Konflikten vorzubeugen und Fluchtursachen zu reduzieren", sagte die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Selmin Caliskan, bei der Vorstellung des weltweiten Menschenrechtsreports 2015/16 in Berlin. Die internationale Politik werde indes von einer Fokussierung auf nationale Interessen und einer Kontinuität des Wegschauens beherrscht, kritisierte Caliskan.

Länder zahlen nicht

Das beweise unter anderem der seit 2011 anhaltende Syrien-Konflikt. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit habe sich in Syrien ein bewaffneter Konflikt entwickelt, der inzwischen geschätzt 250.000 Menschen das Leben gekostet habe und bei dem massenhafte Menschenrechtsverletzungen zum Alltag gehörten, sagte Caliskan. Mehr als die Hälfte der rund 23 Millionen Einwohner Syriens wurde laut Amnesty bislang aus ihrer Heimat vertrieben, über 4,5 Millionen Syrer haben Unterschlupf in den Nachbarstaaten Türkei, Libanon, Jordanien, Irak und Ägypten gefunden.

Auch bei ihrer Versorgung attestiert Amnesty der internationalen Gemeinschaft Versagen. Wegen säumiger Zahler war das humanitäre Hilfsprogramm der Vereinen Nationen Ende vergangenen Jahres nur zu 61 Prozent finanziert. So erhalten bedürftige syrische Flüchtlinge im Libanon nur 21,60 US-Dollar monatlich an Lebensmittelunterstützung. Das sind 0,70 Cent pro Tag. Die von der UN festgelegte Armutsgrenze liegt bei 1,90 US-Dollar.

Laut dem aktuellen Amnesty-Report, der jährlich die Menschenrechtslage in 160 Ländern dokumentiert, befanden sich 2015 weltweit mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. In zwei Dritteln der untersuchten Staaten war die Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt, in 122 Ländern wurden Menschen gefoltert oder anderweitig misshandelt. Dazu zählte die Organisation mindestens 36 Länder, in denen bewaffnete Gruppen Menschenrechtsverletzungen begehen.

Verteidiger von Menschenrechten hatten auch 2015 einen schweren Stand, 156 von ihnen wurden getötet. In mindestens 19 Ländern wurden Kriegsverbrechen oder andere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verübt.

Grundrecht auf Asyl

Sorgen bereiten Amnesty innerhalb der EU auch die rechtspopulistischen Regierungen in Polen und Ungarn. In Polen bedrohten neue Gesetze die Meinungsfreiheit und die Gewaltenteilung, Ungarn nehme mit seinem Zaunbau praktisch keine Flüchtlinge mehr auf. "Die EU braucht endlich eine Strategie für eine Menschenrechtspolitik im Inneren", sagte Generalsekretärin Caliskan.

Auch Deutschland müsse sich wieder stärker auf die Menschenrechte als Grundlage seiner Politik besinnen, sagte Caliskan. Die flüchtlingsfreundliche Haltung der Bundesregierung vom Spätsommer gebe es nicht mehr. Das zeige sich an den Asylpaketen I und II und an dem Umgang mit der Türkei als strategischem Partner zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Die Regierung Erdogan verletze permanent die Menschenrechte und das müsse angesprochen werden, forderte Caliskan.

Auch das Konzept der Deklarierung sicherer Herkunftsstaaten wie Marokko, Algerien und Tunesien lehne Amnesty prinzipiell ab. Es gebe ein Grundrecht auf individuelles Asyl, betonte Caliskan: "Deutschland kann sich den Wert von Humanität ohne weiteres leisten."