Kirchentagspräsident Barner: Kein Mensch soll auf der Flucht sterben

Evangelischer Kirchentag in Stuttgart Pressekonferenz
Foto: Norbert Neetz
Der Präsident des 35. Deutschen Evangelischen Kirchentags 2015 in Stuttgart, Andreas Barner, bei der Auftakt-Pressekonferenz
Kirchentagspräsident Barner: Kein Mensch soll auf der Flucht sterben
Spitzenvertreter der evangelischen Kirche haben zum Auftakt des Kirchentages in Stuttgart zum Schutz von Flüchtlingen aufgerufen.

"Das Sterben der Flüchtlinge im Mittelmeer muss ein Ende haben. Kein Mensch soll auf der Flucht sein Leben verlieren", sagte Kirchentagspräsident Andreas Barner am Mittwoch in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, appellierte an die Staaten Europas, mehr zu tun, um die Flüchtlingstragödien zu beenden.

Der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag unter dem Leitwort "damit wir klug werden" (Psalm 90,12) wird am Abend beginnen und bis Sonntag 7. Juni, dauern. Zur Eröffnung wird unter anderem Bundespräsident Joachim Gauck erwartet.

Bedford-Strohm sagte im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), niemand könne hinnehmen, dass Menschen ertrinken, weil es keine legalen Wege nach Europa gebe. Es sollten Kontingente für Menschen etwa aus Nord-Syrien geschaffen werden, die ohne die üblichen Verfahren erst mal in Europa in Sicherheit gebracht werden können. Zudem sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Lebensbedingungen potenzieller Flüchtlinge vor Ort zu verbessern. "Man wird Europa nie militärisch abschotten können gegen Menschen, die verzweifelt sind", sagte Bedford-Strohm.

Nach den Worten von Kirchentagspräsident Barner ist es in diesen Tagen besonders wichtig, "in christlicher Verantwortung Position zu beziehen." Die Welt sei aus den Fugen geraten, beklagte er und nannte als Beispiele die "Verwüstung von Teilen der Ukraine, die unermessliche terroristische Gewalt in Syrien, in Paris, in Kopenhagen oder in Tunesien".

Der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag bietet nach Ansicht von Kirchentagsgeneralsekretärin Ellen Ueberschär die große Chance eines religiösen, sozialen und politischen Dialoges. "Von diesem Stuttgarter Kirchentag werden zahlreiche Impulse für gesellschaftliches und politisches Engagement ausgehen", sagte sie. Zwölf Resolutionen seien angemeldet worden zu Wirtschaft, Umwelt und Frieden.

Christlicher Glaube: "die herrlichste Hauptsache der Welt"

Der Kirchentag in Stuttgart wolle auch ein Tabu angehen. "Auf diesem Kirchentag wird über das Sterben als letzter Lebensphase offen und öffentlich gesprochen", sagte Ueberschär. "Alle, die demnächst entscheiden müssen, ob gesetzliche Neuregelungen über das Sterben nötig sind und wie sie aussehen sollen, sind hier zum Zuhören und zum Austausch eingeladen", sagte sie mit Blick auf die Sterbehilfe-Debatte.

Der gastgebende württembergische Bischof Frank Otfried July unterstrich, für ihn stehe in den kommenden Tagen "die herrlichste Hauptsache auf dem Programm: der christliche Glaube". Er wies insbesondere auf die Internationalität und Integrationsleistung der Kirchentagsstadt hin: "Hier leben Menschen aus 170 Ländern. Zusammenleben gelingt hier seit vielen Jahrzehnten."

Nach Eröffnung des Protestantentreffens mit drei Gottesdiensten unter freiem Himmel feiern rund 250.000 Menschen ein Straßenfest in der Stuttgarter Innenstadt, den traditionellen "Abend der Begegnung". Bis zum Sonntag stehen mehr als 2.500 Veranstaltungen auf dem Programm. Neben Gauck werden weitere Spitzenpolitiker und Prominente aus dem In- und Ausland nach Stuttgart kommen, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi und Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan.

Insgesamt haben sich gut 97.000 Dauerteilnehmer für den evangelischen Kirchentag in Stuttgart angemeldet. Das sind zwar weniger als vor zwei Jahren in Hamburg, aber Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär ficht das nicht an: "Diejenigen, die da sind, sind immer die richtigen." Die Kirchentagsteilnehmer werden wohl eine ganze Reihe von Resolutionen verabschieden, grundsätzliche Entscheidungen treffe der Kirchentag jedoch nicht, stellt sie klar. Dafür seien in der evangelischen Kirche Synoden zuständig. Bei gerade innerhalb der Kirche kontrovers diskutierten Themen wie der Homo-Ehe gehe es darum, dass verschiedene Positionen ausgetauscht werden und Menschen mit unterschiedlichen Positionen aufeinander zugehen könnten.