Misshandlung von Flüchtlingen in Polizeizelle: Amnesty und Politiker fordern Konsequenzen

Foto: dpa/Peter Steffen
Demonstration gegen Polizeigewalt vor dem Gebäude der Bundespolizei am Hauptbahnhof in Hannover
Misshandlung von Flüchtlingen in Polizeizelle: Amnesty und Politiker fordern Konsequenzen
Nach dem Bekanntwerden möglicher Misshandlungen von Flüchtlingen in einer Zelle der Bundespolizei in Hannover werden immer neue Forderungen nach Konsequenzen laut.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nannte die Vorwürfe gegen einen Beamten erschreckend. "Dass ein Bundespolizist sich hier im Hauptbahnhof Hannover in derart menschenverachtender Weise seine Macht gegenüber Flüchtlingen missbraucht haben soll, schockiert uns alle", sagte er der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Mittwochsausgabe).

Die Vorfälle müssten rasch aufgeklärt und, wenn sie sich bestätigten, hart bestraft werden, forderte Weil. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verlangte am Dienstag unter anderem spezielle Schulungen für Polizisten. Der Bundespolizist soll im März und September vergangenen Jahres einen Afghanen und einen Marokkaner erniedrigt und misshandelt haben.

Bundespolizeipräsident Romann kündigt hartes Durchgreifen an

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland bezeichnete die Taten als menschenverachtend. Sein Vorsitzender Aiman Mazyek forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Dienstag den Präsidenten der Bundespolizei, Dieter Romann, zu einem harten Durchgreifen auf. Er müsse sich bei den Opfern entschuldigen und sie entschädigen, damit nicht die Polizei insgesamt in Misskredit gerate. Den Menschen in Deutschland müsse klar sein, dass derartige Taten "Angriffe auf unsere Werte" seien.

Bundespolizeipräsident Romann selbst kündigte gegenüber in der "Bild"-Zeitung mögliche Schritte gegen die Beschuldigten an. "Sollten sich die zum Teil erheblichen Vorwürfe gegen den oder die Beamten einer bestimmten Dienstgruppe der Inspektion Hannover auch nur ansatzweise bestätigen, wird die Bundespolizei gegen den oder die betreffenden Beamten mit aller Konsequenz vorgehen."

Die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, äußerte die Sorge, dass die jetzt bekanntgewordenen Misshandlungen nur die Spitze des Eisbergs sein könnten. In anderen Fällen schwiegen möglicherweise die Opfer aus Angst, während Mitwisser in der Polizei die Täter aus falsch verstandenem Korps-Geist deckten.

Amnesty International warb dagegen für einen Ausbau von Präventionsangeboten und Schulungen für Polizisten. Unter anderem fehle bislang eine unabhängige Stelle, die Polizeigewalt untersucht. "Politik und Polizei müssen endlich Maßnahmen ergreifen, dass solche Exzesse nicht passieren, dass sie aber in jeden Fall nicht monatelang unentdeckt bleiben und verschwiegen werden", sagte Amnesty-Expertin Maria Scharlau.

Staatsanwaltschaft Hannover kritisierte bisherige Berichterstattung

Die Staatsanwaltschaft Hannover kritisierte indessen die bisherige Berichterstattung. Es sei nicht wünschenswert, "dass alle diese Vorwürfe einzeln schon in den Medien breit getreten werden," sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Für die Ermittlungen sei es nicht hilfreich, "dass sämtliche Zeugen, die wir vernehmen wollen, sich schon darauf vorbereiten können". Klinge kritisierte auch die beiden Anzeige-Erstatter, "die sich offensichtlich lieber zunächst im Fernsehen vernehmen lassen".

Der Staatsanwalt bestätigte einen Bericht des NDR, wonach es gegen den Beamten, der bereits wegen der Misshandlung von Flüchtlingen beschuldigt wurde, weitere Vorwürfe gebe. Er soll einem Kollegen die Dienstwaffe an den Kopf gehalten und ihn zu sexuellen Handlungen aufgefordert haben. Im Verlauf der Ermittlungen müsse geklärt werden, was davon tatsächlich strafrechtlich relevant sei. Dazu müssten mehrere Zeugen vernommen werden. Damit werde noch in dieser Woche begonnen.