Neue Gewalt in Syrien nach "Friedensvereinbarung"

Neue Gewalt in Syrien nach "Friedensvereinbarung"
Es war nur ein kurzer Hoffnungsschimmer. Das syrische Regime scheint das Wort Gewaltverzicht anders zu interpretieren. Einen Tag nach einer Vereinbarung mit der Arabischen Liga geht das Blutvergießen in Syrien weiter.

Die Arabische Liga hat der syrischen Regierung zwei Wochen Zeit gegeben, um das Militär aus den Städten abzuziehen und alle Gefangenen freizulassen. Der stellvertretende Generalsekretär der Organisation, Ahmad Ben Hali, sagte am Donnerstag, erst danach könne ein Dialog zwischen Regime und Opposition beginnen. "Wir sind in der Anfangsphase", betonte er im Sender Al-Arabija. Die syrische Führung hatte der Arabischen Liga zugesichert, das Militär aus den Städten zurückzuziehen, mutmaßliche Regimegegner freizulassen und arabische Beobachter ins Land zu lassen.

Doch das syrische Regime geht trotz einer Friedensvereinbarung weiter mit blutiger Gewalt gegen die eigene Bevölkerung vor. Am Freitag wurden nach Angaben von Aktivisten bis zum Mittag fünf Menschen erschossen. Ein Sprecher der Protestbewegung sagte in einem Telefoninterview mit der Nachrichtenagentur dpa: "Seit der Einigung mit der Arabischen Liga ist es - und das kann ich ohne Übertreibung sagen - sogar noch schlimmer geworden". Am Vortag sollen etwa 20 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden sein, die meisten von ihnen in Homs.

Für diesen Freitag hatten die Aktivisten zu Demonstrationen gegen Assad unter dem Motto "Gott ist groß" aufgerufen. "Ich glaube, dass bei unserer internen Abstimmung dieser Slogan ausgewählt wurde, weil das Gefühl aufkommt, dass uns niemand hilft, außer Gott", erklärte einer von ihnen.

Oppositionsgruppe ruft zu Dokumentation der Gewalt auf

Eine Oppositionsgruppe, die sich Bewegung für den Aufbau des syrischen Staates nennt, veröffentlichte in der Nacht eine Erklärung, in der sie die Menschenrechtsorganisationen des Landes aufforderte, "jeden Schuss, jede Festnahme und jede Entführung von welcher Seite auch immer" zu dokumentieren. Die Daten sollten dann an die Arabische Liga weitergeleitet werden.

Die staatlichen Medien bemühen sich derweil, den Eindruck zu erwecken, als sei die Krise bereits überstanden. Die Nachrichtenagentur Sana meldete, die Frist für die Anmeldung der Kandidaten für die Kommunalwahl am 12. Dezember sei wegen des großen Andrangs bis zum Samstag verlängert worden.

Seit Beginn der Proteste gegen Assad, der 2000 die Nachfolge seines Vaters Hafis al-Assad angetreten hatte, dauern bereits seit Mitte März an. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind während der Proteste mehr als 3.000 Menschen in sieben Monaten gestorben. Syrische Menschenrechtsgruppen sprechen sogar von mehr als 4.000 Toten. Die meisten Opfer sind Zivilisten.

Misstrauen gegen Syriens Regime bleibt

Die Demokratiebewegung glaubt den Versprechen der Führung in Damaskus nicht. Aktivisten stellten in der Nacht zum Donnerstag Videos von Demonstrationen in mehreren Provinzen ins Netz, bei denen zum Sturz von Präsident Baschar al-Assad aufgerufen wurde. Die Exil-Opposition erklärte, dem Regime sei nicht zu trauen. Assad versuche nur Zeit zu gewinnen.

Auch Deserteure aus der syrischen Armee sehen bislang keinen Beweis für einen Kurswechsel. "Wir warnen die Arabische Liga davor, diesem korrupten Lügner-Regime zu glauben, das nur mehr Zeit gewinnen will", sagte der Kommandeur der sogenannten Freien Syrischen Armee, Oberst Riad al-Assad, der Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag in einem Telefoninterview. "Ein Beispiel, das zeigt, dass man dem Regime nicht vertrauen kann, sind die Schüsse, die in dieser Nacht fielen und die Bombardierungen. Das fand alles statt, nachdem die Einigung in Kairo bekanntgegeben worden war." Nach Schätzungen von Al-Assad sind bislang zwischen 10.000 und 15.000 Menschen aus der Armee, der Republikanischen Garde und dem Geheimdienst desertiert.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, wichtig sei, dass die syrische Regierung die von ihr eingegangenen Verpflichtungen nun auch einhalte.

dpa