3D auf der Berlinale: Muss man alles machen, was geht?

3D auf der Berlinale: Muss man alles machen, was geht?
Im Berlinale-Palast gab es am Sonntag ein kleines Festival des 3D-Films - Projektoren umbauen und Brillen raus! Im normalen Kinobetrieb zeigt die trendige Technik nach dem Höhenflug von "Avatar" schon erste Ermüdungserscheinungen: Es hat sich herumgesprochen, dass nicht jeder Film, auf dem 3D draufsteht, tatsächlich in 3D gedreht ist, und dass ein paar tolle Effekte einer müden Story nicht aufhelfen.
14.02.2011
Von Sabine Horst

So stellte sich auch auf der Berlinale, unter dem skeptischen Blick schwarzgerahmter Kritikeraugen und des Gala-Publiukums - darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - die Frage nach der Leistungsfähigkeit des Mediums. Was muss in 3D erzählt werden, was funktioniert ebenso gut konventionell? Sehen wir in 3D etwas, das wir vorher nicht gesehen haben? Und hat das Ganze irgendwas mit Kunst zu tun?

Pina Bausch bietet viel Tiefe - inhaltlich und optisch

Überzeugende Antworten lieferten, ein bisschen verblüffend, zwei deutsche Regisseure, die dem Spektakel- und Familienkino ausgesprochen fern stehen: Wim Wenders und Werner Herzog. Beide haben Dokumentarfilme in 3D vorgestellt und einen durchaus vergleichbaren Ansatz gewählt: Sie erschließen dem Zuschauer unzugängliche Räume und konservieren flüchtige Eindrücke - auf eine ungeheuer greifbare, unmittelbare Art.

Wim Wenders ("Paris Texas", "Buena Vista Social Club") hat endlich seine lange geplante Hommage an die 2009 verstorbene Tänzerin und Choreographin Pina Bausch realisiert. Auf der Basis von Interviews mit den Tänzern ihres Bochumer Ensembles lässt Wenders vier Stücke aus Bauschs reichhaltigem Repertoire nachspielen: im Theater, auf der Straße, in Industrieanlagen, in der Hochbahn, am Rande einer riesigen Grube.

Da gibt es mikroskopische Studien von Bewegungsabläufen, ein Paar in "Café Müller" etwa, das immer wieder dieselbe Umarmung vollstreckt. Oder es gibt raumgreifende Auftritte der gesamten Truppe. Und nie waren Körper im Film so zu sehen: hautnah, sinnlich, auch ein wenig skulptural, als ob man um sie herumgehen könnte. "Pina" ist manchmal melancholisch, oft aber auch komisch. Und mitreißend allemal.

Manche Filme kann man nur so drehen

Während Wenders sich begeistert über die Möglichkeiten von 3D äußert, sagt sein Kollege Werner Herzog ("Fitzcarraldo", "Bad Lieutenant"), im letzten Jahr als Jurypräsident in Berlin, zurückhaltender, er habe seinen ersten und einzigen 3D-Film gedreht. In seinem "Cave of Forgotten Dreams" rechtfertigt sich das Verfahren durch den besonderen Gegenstand.

Normalsterbliche werden sie nie zu Gesicht bekommen, jedenfalls nicht im Original: die prähistorischen Wandbilder, die in den 90ern in einer verschütteten Höhle im Flusstal der Ardèche entdeckt wurden. Es sind die ältesten, die bekannt sind, gezeichnet oder in den Stein geritzt vor mehr als 30.000 Jahren, perfekt konserviert - und so empfindlich, dass nur ein Team von Paläontologen, Archäologen und Geologen die Höhle erkunden darf.

Herzog ist auf ihren Spuren mit einem kleinen Filmteam unter strengsten Auflagen ins vorzeitliche Dunkel hinabgestiegen und hat erstaunliche Aufnahmen erbeutet: von Mammuts, Höhlenlöwen, Bisons und Pferden, die sich in Vertiefungen schmiegen und über Felshöcker sprinten. Tatsächlich haben bereits die Menschen am Beginn der Cromagnon-Kultur einen plastischen, einen 3D-Effekt in ihre Kunst einkalkuliert, und selbst wenn Herzog mit raunenden Kommentaren und sakraler Musik etwas zu viel des Guten tut, hat man doch das Gefühl: Dieser Film konnte nur so gedreht werden.

Mit gestaffelten Kulissen um den Berlinale-Bären

"Pina" und "Cave of Forgotten Dreams" liefen außer Konkurrenz. Der 3D-Beitrag, der sich um die Bären bewirbt, war ausgerechnet derjenige, der am glattesten ins Raster passte: "Les contes de la nuit" von dem französischen Animationsspezialisten Michel Ocelot ("Kiriku und die Zauberin") ist ein charmanter, verspielter Kinderfilm mit Scherenschnitt-Figuren, die sich in gestaffelten Kulissen bewegen.

Ganz unreflektiert geht aber auch Ocelot nicht zu Werke. Er lässt zwischen seinen von Drachen, Prinzessinnen, sanften Werwölfen und tanzenden Stachelschweinen bevölkerten Märchenerzählungen eine kleine Geschichte des menschlichen Sehens Revue passieren: Tafelbilder, Mandalas, Kirchenfenster, Computerbildschirme.

So macht er deutlich, dass unsere Wahrnehmung sich immer verändert hat - und wir uns irgendwann auch an dreidimensionales Kino gewöhnt haben könnten. Am Ende eines unterhaltenden Berlinale-Tages durfte man schon mal festhalten: Mit 3D ist es wie mit Beton - es kommt drauf an, was man draus macht.

epd