Vertreter des Christentums, des Islam und des Judentums hinterfragen den Absolutheitsanspruch von Religionen. "Die absolute Wahrheit ist allein bei Gott. Wir sind im Prozess der Annäherung und brauchen die Bereitschaft uns zu korrigieren, sonst gibt es ein Problem mit dem Frieden", betonte Präses Nikolaus Schneider, amtierender Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, am Sonntag in Bochum.
"Im Schneckentempo auf dem Weg zum Frieden"
"Friede sei mit Euch - Für eine Kultur des Friedens" lautete das Motto der vom "Zeit Forum Kultur" getragenen interreligiösen Veranstaltung über die universelle Sehnsucht nach Frieden als Basis der Völkerverständigung. Der Anwalt und ehemalige Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedmann, merkte kritisch an, dass "Toleranz und Respekt zwischen den Religionen auf sehr dünnem Eis" gebaut seien.
Oft reichten schon Kleinigkeiten, um ein großes Loch zu reißen, sagte Friedmann, ohne direkt auf aktuelle Ereignisse einzugehen. "Wir sind im Schneckentempo auf dem Weg zum Frieden, die Rückschläge sind enorm."
"Innere Reformbewegung"
Der Jesuitenpater Klaus Mertes forderte, mehr über Gott und spirituelle Erfahrungen zu sprechen und bezeichnete das Christentum als eine "Religion in Bewegung", die ständig an sich arbeite. "Das Christentum kann friedlicher werden, wenn es zugleich konfliktfähiger wird, auch nach innen", sagte der Leiter des Berliner Canisius-Kollegs, der Anfang des Jahres die Diskussion um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche ins Rollen gebracht hatte.
Auch für die liberale Islamwissenschaftlerin und Buchautorin Lamya Kaddor geht es bei der Annäherung zwischen den Religionen vor allem um Veränderung. "In der heutigen globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts müssen wir auf den Wahrheitsanspruch verzichten", sagte sie. "Solange jeder behauptet: Mein Gott ist der Richtige, werden wir nicht zu dauerhaftem Frieden kommen."
Ebenso wie in ihrem vor kurzem erschienenen Buch "Muslimisch - weiblich - deutsch!" forderte die 32-Jährige eine "innere Reformbewegung" zur Modernisierung des Islam. Es gehe nicht in erster Linie darum zu bewerten, ob eine Frau Kopftuch trage oder nicht, meinte Kaddor. Aber bestimmte Verse des Koran "lassen sich nicht mehr in die heutige Zeit übertragen".