Müll und Mafia: Wenn Medien über Italien berichten

Müll und Mafia: Wenn Medien über Italien berichten
Das Verhältnis Deutschland-Italien ist abgekühlt – auch jenseits der Fußball-Weltmeisterschaft. Journalisten verbreiten vor allem Klischees und Vorurteile. Ein Projekt will dies nun ändern.
28.06.2010
Von Anke Vehmeier

Müll, Mafia, Medienkontrolle. Geht es um Italien, sind die Klischees immer für eine Schlagzeile in deutschen Tageszeitungen gut. Penibel, pünktlich, pedantisch – auch die Italienischen Medien schätzen das gepflegte Vorurteil über die Deutschen. Verallgemeinerungen und Stereotype prägen das Bild vom Nachbarn. Schuld daran haben auch die Medien, die Journalisten diesseits und jenseits der Alpen.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Italien habe sich mächtig abgekühlt, meint Susanne Höhn, Länderleiterin des Goethe-Instituts in Rom. Sie beobachtet eine "Ernüchterung dieses oft von deutscher Seite idealisierten 'Liebesverhältnisses' zwischen Deutschland und Italien" und stellt für Italien fest: "In den Medien kommt das Thema Deutschland eher selten vor: Beispielsweise in Ländervergleichen werden viel öfter Großbritannien oder Frankreich als Maßstab herangezogen als das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste EU-Land, die Bundesrepublik".

Alles dreht sich um Silvio

Die deutschen Journalisten hingegen stellen oftmals Silvio Berlusconi in den Mittelpunkt ihrer Berichterstattung. Da bleibt wenig Platz für das restliche Italien mit seinen Menschen, Sorgen und Geschichten. "Das kann auch zur Bildung von Vorurteilen und im Endeffekt zur gegenseitigen Ignoranz führen", sagt Höhn. Wie stark die Medien die gegenseitige Wahrnehmung beeinflussen, zeige sich immer wenn es kracht: "Dann brechen alte und absolut falsche Bilder des Spaghetti essenden, charmanten, vielleicht mafiösen aber lebenslustigen Italieners und des unsensiblen, massigen, besserwisserischen und soldatisch wirkenden Deutschen durch", sagt Höhn. Sie sieht die Ursache in mangelnder gegenseitiger Neugier und Entdeckungslust.

Um das zu ändern, veranstaltet das Goethe-Institut Italien in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und weiteren Partnern das Projekt "Va bene?! La Germania in italiano. Italien auf Deutsch". Dazu gehören Journalisten-Austausch-Programme (zum Beispiel der "Tapetenwechsel") und Journalisten-Nachwuchswettbewerbe. Unter anderem wird es im Oktober einen Journalisten-Kongress für Medienvertreter aus Italien und Deutschland in Rom geben. "Das Ziel dabei ist ganz klar: die gegenseitige Neugierde wieder zu beflügeln und von einander zu lernen", sagt Thomas Krüger, Präsident der bpb.

Die Deutschen lieben die Italiener

Die Deutschen lieben die Italiener, aber sie schätzen sie nicht - die Italiener schätzen die Deutschen, aber sie lieben sie nicht. Dieses widersprüchliche Verhältnis hat auch Marcello Bonventre erlebt. Der Redakteur von Radio Bremen tauschte seinen Arbeitsplatz im Programm "Tapetenwechsel" des Goethe-Instituts mit Laura Troja von Rai Radio 2 in Mailand. Journalisten spielen für Bonventre eine große Rolle für das Verhältnis der Nachbarvölker. "Es ist ganz entscheidend, wie Journalisten über den jeweils anderen schreiben und berichten", sagt der Radio-Redakteur.

Unter dem Motto "Deutschland fragt Italien" hatte er bei Kollegen und Bekannten Fragen gesammelt, was diese schon immer über Italiener wissen wollten. Die Fragen stellte er dann dem italienischen Radio-Publikum: Natürlich der Klassiker: "Seid Ihr wirklich leidenschaftlicher als wir Deutschen?" Aber auch: "Esst Ihr wirklich alle Zugvögel auf?". "Die Italienischen Zuhörer waren entsetzt. Sie sagten, dass kann doch nicht wahr sein, dass die Deutschen so über uns denken", berichtet Bonventre. Kopfschütteln gibt es aber auch auf der anderen Seite über das System Berlusconi. "Für Deutsche ist das nicht nachvollziehbar und führt auch zu einer Art 'Entliebung' mit den Italienern", sagt Bonventre.

Perspektivwechsel

Dass das Va-bene-Projekt vielleicht zu einem Perspektivwechsel deutscher und italienischer Journalisten führen kann, zeigt das Beispiel des Zeit-Redakteurs Mark Spörrle. Er reiste mit einem italienischen Autor eine Woche gemeinsam von Deutschland nach Italien, um die verborgenen Geschichten der beiden Länder zu entdecken. Nach seiner Rückkehr berichtete er, wie er (fast) zum Italiener wurde: "Du bist verändert", sagte meine Frau zu mir, als ich wieder zu Hause war, "du ärgerst dich gar nicht mehr, wenn die U-Bahn überfüllt ist. Oder wenn die Radfahrer dich fast umfahren. Diese Reise hat dir – kann es sein? – gut getan."

Internet: Mehr über das Va-bene-Projekt gibt es beim Goethe-Institut.


Anke Vehmeier ist freie Journalistin und lebt in Bonn.