Die Angst des Pfarrers vor dem Glaubensbekenntnis

Die Angst des Pfarrers vor dem Glaubensbekenntnis

Heute ist Weltlachtag. Ja, das gibt es wirklich. Mein Beitrag dazu mag eher ein wenig zum Schmunzeln sein. Auf keinen Fall soll er das wunderbare Glaubensbekenntnis, das uns Christen auf der ganzen Welt verbindet (ja, ich weiß, die Ostkirche spricht meistens das andere, kennt unseres aber auch), irgendwie veräppeln.

Doch stellen Sie sich mal vor: Sonntag für Sonntag sprechen Sie im Gottesdienst die gleichen Worte. Ja, das machen natürlich alle, die im Gottesdienst sind, klar. Aber nur einer (oder eine) steht vorne und wird vom Mikrofon verstärkt. Und dieser eine ist auch noch für den ganzen Ablauf verantwortlich. Kein Wunder, dass die Gedanken manchmal abschweifen: „...und an Jesus Christus, seinen...“ Was kommt gleich nochmal danach für ein Lied? Muss ich noch was ansagen? „gekreuzigt, gestorben und begraben....“ Ach nein, heute singt ja der Chor. Mist, und ich habe meine Predigt noch am Platz liegen, dabei müsste ich gleich vom Altar weiter zur Kanzel. „...von dort wird er kommen...“ Na ja, dann setz ich mich halt, solange der Chor singt, nochmal hin und gehe dann mit der Predigt zur Kanzel. „Ich glaube an den Heiligen Geist...“ Die sprechen heute ganz schön langsam. „...Gemeinschaft der Heiligen...“ Ich darf nicht vergessen, nachher noch zum Kirchenkaffee einzuladen. Steht nicht in den Abkündigungen. „...Amen.“

Manchmal kann man auch als Pfarrer, Pfarrerin ganz konzentriert mitbeten. Aber manchmal funktioniert es eben einfach nicht. Besonders bei Beerdigungen, wo sowieso große Aufmerksamkeit geboten ist für alles, was um einen herum so geschieht, ist es schwer, innerlich dabei zu bleiben. Und gerade da kann man selten einfach die Stimme zurücknehmen und sich von der Gemeinde „tragen“ lassen, denn viele Trauergemeinden beherrschen das Glaubensbekenntnis nicht so wirklich und brauchen den lauten „Vorbeter“, der sie gewissermaßen anleitet.

Ganz wichtig ist es deshalb, den Text nach Möglichkeit immer vor sich zu haben, ihn abzulesen, obwohl man ihn schon Hunderte von Malen gesprochen hat. Natürlich kann ich diesen Text in- und auswendig. Aber gerade deshalb verleitet er ja dazu, die Gedanken schweifen zu lassen, Überlegungen anzustellen, was als nächstes kommt und so weiter. Und so geschieht es immer wieder, dass ausgerechnet der mikrofonverstärkte „Vorbeter“ eine Zeile auslässt. Oder sich irgendwie verspricht. Wobei das mit dem Versprechen ja gar nicht so schlimm ist, wenn es im Rhythmus des Textes bleibt. Aber nur eine kleine Silbe zu viel oder zu wenig bringt die ganze Gemeinde aus dem Takt. Sagen Sie mal, wie mir schon passiert: „Gelitten unter Pontius und Pilatus.“ Das Holpern in der Gemeinde hört man noch mehrere Zeilen weit. Kaum einer wird bemerkt haben, wo es her kam. Trotzdem: Schweißausbruch. Wie peinlich. „Pontius und Pilatus.“ 

Eine Sollbruchstelle gibt es ja immer bei ökumenischen Gottesdiensten, aber die sind wir gewohnt: Während die Katholiken sagen: „ich glaube... an die heilige katholische Kirche“, ist es bei uns die „heilige christliche Kirche“. Eigentlich könnten auch wir Evangelischen locker sagen: „die heilige katholische Kirche“, denn katholisch heißt lediglich „weltumspannend“. Da aber die Verwechslungsgefahr mit „römisch-katholisch“ doch sehr groß ist, sind wir halt lieber auf „christlich“ ausgewichen. So merkt man schnell am Glaubensbekenntnis, ob mehr Evangelische oder Katholische anwesend sind...

Zurück zu Pontius und Pilatus. Die Stelle hat es mir persönlich irgendwie sehr angetan. Am Gründonnerstag feierte ich in einer Kirche Gottesdienst, in der ich noch nicht oft vorher gewesen war. Das Kreuz, das mich in Augenhöhe am Altar, hm, ja: regelrecht anschaute, dieses Kreuz hat mich sehr fasziniert. Mein Glaubensbekenntnis war völlig frei von jeglichen organisatorischen Gedanken. Ich blickte auf dieses Kreuz, sprach aus vollem Herzen das Glaubensbekenntnis mit. Und sagte: „Gelitten unter Kreuzius Pilatus.“ 

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