Haiti: Diskussion um Wiederaufbau

Haiti: Diskussion um Wiederaufbau
Knapp zehn Tage nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti kommt die Hilfe für Millionen Bedürftige auf Touren. Zugleich begann die Diskussion über den Wiederaufbau in dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre. Nach Ansicht des UN-Sondergesandten Bill Clinton sind dafür vor allem Jobs notwendig. "Die USA haben mit solchen Programmen große Erfahrung in Nahost und in Afghanistan", sagte der frühere US-Präsident am Donnerstag bei den Vereinten Nationen in New York.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon betonte, die Haitianer müssten die Tragödie, so weit es geht, in eine Chance umwandeln. Die ganze Welt stehe hinter ihnen und helfe beim Aufbau des zerstörten Landes. "Ich weiß, was das für eine große Herausforderung ist. (...) Das Volk ist vereint und zusammen mit der internationalen Gemeinschaft werden wir diese Tragödie überstehen."

Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, forderte für Haiti Wiederaufbauhilfen nach dem Vorbild des Marshall-Plans. "Ich bin überzeugt, dass Haiti - das auf unglaubliche Weise von vielerlei getroffen wurde (...) - etwas Großes braucht", sagte er in Hongkong.

Ban hält die Anfangsprobleme der Helfer für überwunden. Bei einem Gottesdienst für die zehntausenden Toten in New York hatte er bereits am Mittwoch (Ortszeit) gesagt: "Ich weiß, dass es in den ersten Tagen gewisse Verzögerungen gab. Aber mittlerweile haben wir ein sehr effektives System aufgebaut, um Engpässe zu umgehen." Auch das Rote Kreuz erklärte, Hilfe komme nun an. Allerdings ist die Verteilung der Hilfsgüter immer noch äußerst schwierig. Der Versuch der Deutschen Welthungerhilfe, Bohnen, Reis und Salz an Bedürftige zu verteilen, endete trotz guter Vorbereitung am Donnerstag in einem Tumult, bei dem junge Männer Frauen und Kinder abdrängten und die Hilfsgüter raubten.

"Cash for Work"-Programm gestartet

Clinton betonte, den Haitianern müsse wieder ein Grund zur Hoffnung gegeben werden. "Es ist wichtig, den jungen Leuten etwas Positives zu geben, an dem sie sich festhalten können. Viele Haitianer wollen mitmachen beim Aufbau ihres Landes. Geben wir ihnen diese Chance!" Das Programm "Cash for Work" der Vereinten Nationen sei deshalb genau richtig, sagte Clinton nach einem Treffen mit Ban.

"Die Phase des Rettens ist jetzt fast abgeschlossen, jetzt muss die Versorgung der Menschen und vor allem der Wiederaufbau in den Mittelpunkt rücken", betonte auch der UN-Generalsekretär. Dafür habe er mit Clinton drei Ziele festgesetzt. "Zum einen müssen wir den Menschen helfen und sie versorgen. Zum zweiten müssen wir für Sicherheit und Stabilität sorgen. Und drittens müssen wir uns an den Wiederaufbau machen und vor allem die Wirtschaft in Haiti wieder aufrichten." Deshalb hätten die Vereinten Nationen das "Cash for Work"-Programm gestartet. Dabei bekommen die Haitianer, die Trümmer räumen oder Straßen ausbessern, fünf Dollar (3,50 Euro) am Tag.

Clinton empfiehlt, Geld zu spenden

"Nutzen wir die Gelegenheit, Haiti noch besser aufzubauen", sagte Clinton. "Man kann aus Katastrophen lernen. Die Häuser, die nach dem Wirbelsturm "Katrina" in New Orleans gebaut wurden, waren sicher, energieeffizienter, moderner. Das können wir auch in Port-au-Prince machen und zum Beispiel die sanitären Anlagen verbessern." Zudem könne die Infrastruktur so ausgebaut werden, dass Haiti eher ein Ziel für Flugreisen und Kreuzfahrtschiffe werde.

Clinton empfahl den Menschen in aller Welt, Geld zu spenden. "Das ist jetzt am dringendsten. Vielleicht fragen wir Sie mal nach Decken, vielleicht fragen wir Sie mal nach Zelten, aber jetzt brauchen wir Geld." Er selbst würde vor allem an etablierte Organisationen spenden. "Ich würde fragen, ob die Institutionen schon vor der Katastrophe in Haiti gearbeitet haben. Und da gibt es viele gute Organisationen wie UNICEF, das Welternährungsprogramm, Oxfam, Worldvision und andere."

Experten: Nachbeben auf Haiti dauern noch Monate

Die Serie von Nachbeben in Haiti wird nach Ansicht von US-Experten noch Monate, vielleicht sogar Jahre andauern. Zwar würden die Abstände zwischen den einzelnen Beben mit der Zeit größer. Nach wie vor drohten in den kommenden Monaten aber auch Erschütterungen mit großem Zerstörungspotenzial, heißt es in einer Lageeinschätzung der US-Erdbebenbehörde USGS, die am Donnerstag (Ortszeit) im Internet veröffentlicht wurde.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem oder mehreren Beben der Stärke 7,0 oder darüber kommt, liege in den kommenden 30 Tagen bei 3 Prozent; die eines 6,0-Bebens schon bei 25 Prozent, so die Experten. Mit einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit werde es in der Region zu einem oder mehr Beben der Stärke 5,0 oder darüber kommen. Die US- Wissenschaftler gehen davon aus, dass zwei bis drei Beben dieser letzten Kategorie die Region in den nächsten 30 Tagen erschüttern werden.

Jedes Beben der Stärke 5,0 oder darüber könne weitere Schäden anrichten, vor allem an bereits beschädigten Gebäuden. Die Bewohner Haitis und die dort arbeitenden Rettungs- und Hilfskräfte sollten sich jederzeit der Gefahr bewusst sein und wissen, «was zu tun ist, wenn der Boden zu schwanken beginnt», heißt es in dem USGS-Bericht. Die Gefahr starker Erdbeben müsse auch langfristig in Betracht gezogen werden, so etwa beim Wiederaufbau der zerstörten Häuser und Infrastruktur in Haiti.
 

Haitis Justizminister am Leben

Helfer aus aller Welt arbeiten weiter rund um die Uhr bis zur völligen Erschöpfung. Und immer noch wurden Überlebende des Jahrhundertbebens der Stärke 7,0 gefunden, bei dem womöglich bis zu 200.000 Menschen starben. Auch der schon totgesagte haitianische Justizminister Paul Denis überlebte die Katastrophe. Haitis Botschafter in Deutschland, Jean Robert Saget, korrigierte frühere Angaben. "Ich bin falsch informiert worden aus Haiti, er wurde nur verletzt", sagte Saget der Deutschen Presse-Agentur dpa.

dpa