Aus dem Maschinenraum (9): Google Chrome OS

Aus dem Maschinenraum (9): Google Chrome OS
Google will ein eigenes Betriebssystem für Rechner vorstellen: Chrome OS genannt. Unser Kolumnist Michael Stein hat sich so seine eigenen Gedanken zum großen Datensammler Google gemacht.
19.11.2009
Von Michael Stein

Viele Jahre lang war in der Computerwelt alles in schönster Ordnung: Es gab die Bösen und es gab die Guten. Die Bösen, das waren für viele Computer-Nutzer vor allem Microsoft und sein Betriebssystem "Windows". Die Guten, das war Apple mit seinem "Mac OS", eine Firma, die dem bösen Quasi-Monopolisten ein paar Marktanteile streitig machte. Dann änderte sich die Betriebssystem-Landschaft ein wenig: Das offene Betriebssystem "Linux" wurde immer beliebter und fand auch bei Nicht-Informatikern mehr Freunde. Gleichzeitig gewann die Neuauflage des Apple-Betriebssystems Mac OS, ab da mit dem Zusatz "X" versehen, mehr Anhänger und machte zusammen mit Linux dem Platzhirschen Microsoft das Leben schwer. Viele Jahre lang änderte sich an diesem Betriebssystem-Dreierlei nichts.

Konsequente Strategie

Und jetzt das. Demnächst soll nun also das neue und kostenlose Betriebssystem "Chrome OS" auf den Markt kommen – nähere Informationen wird Google am Donnerstag herausgeben. Das wäre ja an sich noch nicht sonderlich aufregend, wenn es sich bei den Machern des neuen Systems nicht um die Firma handeln würde, die in letzter Zeit immer 'mal wieder ins Gerede gekommen ist: Google. Unerwartet oder gar überraschend kommt der Schritt des Datensammlers indes nicht. Im Gegenteil: Es ist nur konsequent, was Google da macht.

Anwendungen im Internet

Nach Suchmaschine, E-Mail-Dienst, Online-Speicherplatz, Browser und Handy-Betriebssystem - um nur einige Google-Anwendungen zu nennen – wird es somit also bald auch ein Google-Betriebssystem für PCs geben. Vor allem für die kleinen Netbooks à la EeePC ist das schlanke System gedacht, und damit ist es natürlich besonders geeignet und auch genau dafür gemacht, mit ihm auf die zahlreichen Google-Dienste im Internet zuzugreifen, die ständig mehr werden. Da werden dann also alle Programme, die man so braucht, auf Google-Servern laufen. Und die Daten, die man mit diesen Programmen erzeugt, werden auch bei Google gespeichert sein. Wie praktisch – vor allem für Google. Wer also ein Handy mit dem Google-Betriebssystem "Android" nutzt und dann noch auf seinem Netbook Chrome OS installiert hat, der begibt sich damit restlos in die Hände einer einzigen Firma.

Die Google-Falle

Chrome OS wird – wie es der Name schon andeutet – auf dem Google-Browser "Chrome" basieren. Die Benutzeroberfläche wird simpel sein und nur das Nötigste bieten. Der Rest findet direkt im Internet statt – in den gigantischen Server-Farmen von Google, irgendwo auf der Welt. Welche Risiken damit verbunden sein können, das kann man zum Beispiel in dem schon im letzten Jahr erschienenen Buch "Die Google Falle" nachlesen. Der Autor Gerald Reischl recherchierte neun Monate und trug dabei jede Menge Information über Google und darüber, wie das Unternehmen tickt und agiert, zusammen. Er kommt zu dem Schluß: "Google ist zu einem Informationsbroker geworden, der jede Sparte bedienen und in allen Branchen kräftig abkassieren kann."

Im Klartext: Google benutzt alles, was es an Datenmaterial über einen Nutzer bekommen kann, um damit Geld zu verdienen. Und ein Computer, dessen Betriebssystem auch noch von Google stammt, macht es praktisch unmöglich, das zu verhindern. Als Nutzer von Linux, Mac OS X oder Windows ist man vergleichsweise frei, über den Browser oder den genutzten E-Mail-Dienst zu entscheiden. Denn trotz Internet-Anbindung passiert das meiste immer noch auf dem Computer selbst. Bei Chrome OS wird das völlig anders sein. Ein Computer mit Chrome OS wird ein vergleichsweise dummer Rechner sein, der nur noch das anzeigt, was tatsächlich eigentlich im Internet stattfindet. Trotzdem: Ich bin sehr gespannt auf Chrome OS. Und darauf, wie viele Menschen sich tatsächlich in die Hände des Datensammlers begeben.


Über den Autor:

Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen - und was sie mit uns macht.