Filmtipp der Woche: "2012" (Roland Emmerich)

Filmtipp der Woche: "2012" (Roland Emmerich)
Der deutsche Regisseur Roland Emmerich lässt mal wieder die Welt untergehen. Unter anderem gehen ein Flugzeugträger und L.A. zu Bruch. Das alles aber unterhaltsam.
11.11.2009
Von Sabine Horst

Sagen wir’s mal so: Der Katastrophenfilm ist nicht das Erleuchtetste unter den Filmgenres. Und es sind auch nicht gerade die nobleren Gefühle, die er in uns anspricht: Der Zuschauer bezahlt in diesem Fall dafür, dass möglichst viel kaputtgemacht wird, auf möglichst hohem technischem Niveau. Regisseur Roland Emmerich ist zweifellos eins der führenden Hollywood-Abrissunternehmen; er richtet seit Jahrzehnten nichts anderes als Desaster an, hat das Weiße Haus zerbröselt, die Pyramiden auseinandergenommen und die nördliche Erdhalbkugel schockgefrostet.

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Was noch übrig ist, wird mit buchhalterischer Genauigkeit in "2012" zerlegt: Die Welt, die wir kennen, gibt es am Ende dieses Films nicht mehr. Eine rare Planetenkonstellation, eine Sonneneruption von einzigartiger Gewalt und ein bisschen esoterisches Hintergrundrauschen – die Maya, die Hopi und die Bloggerszene wussten es natürlich schon lange – bringen die Geschichte in Gang und die Erdkruste in Aufruhr: Es droht die Vernichtung der Menschheit. Die Industrienationen, so ungefähr die "G 11", haben unter Führung der Vereinigten Staaten einen Krisenplan erarbeitet, der die Rettung ihrer Regierungen und ausgewählter Privatpersonen vorsieht. Wobei ausgewählt meint: Leute, die genug beiseitegelegt haben, um ein milliardenteures Ticket ins nächste Leben zu lösen. Der Rest ist abgeschrieben, was dem unterkomplexen Drehbuch Anlass für eine halbgare Moraldebatte liefert, im Prinzip aber darauf hinausläuft: Sorry, geht jetzt halt nicht anders.

Der Schlund der Erde

Der Schlund der Erde tut sich nach zwanzig Minuten in einem Supermarkt im kalifornischen Pasadena auf, dann geht es flott weiter: Erdbeben – exit Los Angeles –, Vulkanausbrüche – tschüs, Yellowstone –, Flutwellen – good bye, Washington, schade um Japan. In dieser entfesselten, knarzenden, sprotzelnden Filmlandschaft wird ein Ensemble von toll ausgedachten Figuren herumgeschoben, darunter der erfolglose Autor eines Endzeit-Romans, gespielt von John Cusack, seine geschiedene Familie, ein schwarzer Top-Wissenschaftler, ein zwielichtiger russischer Superreicher und ein Schönheitschirurg. Die Bahn fällt, typisch mal wieder, sofort aus, aber es steht immer irgendwo eine schicke Limousine oder ein aufgetankter Jet herum. Und so kommen unsere Helden zum Finish in den Himalaya, wo sich die happy few um ein paar klammheimlich zusammengeschweißte High-Tech-Archen versammeln.

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Die money shots des Films, die krachenden Spektakelszenen, sind zwar auch nicht wirklich originell – abgesehen vielleicht von der, in der ein amerikanischer Flugzeugträger mit dem Namen "John F. Kennedy" den amtierenden Präsidenten erdrückt –, sehen aber meistens recht eindrucksvoll aus. Beim Thema "Wasser" etwa hat die Computergrafik deutliche Fortschritte gemacht – die Monsterwellen stehen nicht mehr, wie in "Der Sturm" oder "Deep Impact", als Pixelwände im Bild, sondern kräuseln sich auf die malerischste Weise. Und wie L.A. buchstäblich zusammengefaltet wird, wie sich die Erde hier aufbäumt und die Glas-Stahl-Konstruktionen der Hochhäuser ineinanderkrachen – das ist schon sehr energisch gemacht. Apocalypse, wow!

Die "Süntflut"

Aber anders als in seinen früheren Filmen, anders als in " Independence Day" oder "The Day After Tomorrow", die an Alltagsdebatten anschlossen und mit einer durchaus netten Häme ein paar Pop- und Politmythen auseinandernahmen, hat Roland Emmerich sich mit "2012" von jeder Rest-Reflexion befreit. Vernünftig betrachtet, handelt es sich bei dieser Katastrophe um bloßes Pech, etwas, das sich der menschlichen Einflussnahme entzieht und vollkommen sinnfrei ist: Für eine unglückliche Planetenkonstellation kann man niemanden haftbar machen, nicht mal den Turbokapitalismus. Da bleibt dann nur das Motiv der "Süntflut" in seiner trivialsten Lesart: Irgendwie werden wir es ja vielleicht doch verdient haben, deshalb alles weg – und von vorn anfangen.

Nachdem Emmerich also die Kontinentalplatten umarrangiert und Tausende von computeranimierten Statisten ins Nirvana geschickt hat, entlässt er seine letzten Gerechten, darunter ein Merkel-Double und die Queen samt Corgis, in eine bereinigte, gesäuberte Welt, ohne Schurkenstaaten, ohne Russenmafia und Schönheitsoperationen. So, und jetzt könnten wir noch darüber nachdenken, warum der Papst es in Emmerichs Universum nicht geschafft hat. Tun wir aber nicht. Mit Erleuchtung hat das alles, wie gesagt, sowieso nichts zu tun.

USA 2009. Regie: Roland Emmerich. Buch: Harald Kloser, Roland Emmerich. Mit John Cusack, Chiwetel Ejiofor, Amanda Peet, Oliver Platt, Danny Glover, Woody Harrelson. 158 Min. FSK: 12, ff. (epd)