Italiens Ministerpräsident kehrt auf Anklagebank zurück

Italiens Ministerpräsident kehrt auf Anklagebank zurück
Das Oberste Gericht Italiens hat ein auf Ministerpräsident Silvio Berlusconi zugeschnittenes Immunitätsgesetz für verfassungswidrig erklärt. Der Premier gerät immer stärker unter Druck.
08.10.2009
Von Bettina Gabbe

Gegner des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi führen seinen Einstieg in die Politik Mitte der 90er Jahre auf dessen Querelen mit der Justiz zurück. Der Medienunternehmer habe sich zum Schutz vor Gerichtsverfahren mit seiner Bewegung "Forza Italia" zum Regierungschef wählen lassen. Das jüngste Urteil des Obersten Gerichts, das zum zweiten Mal ein auf Berlusconi zugeschneidertes Immunitätsgesetz für verfassungswidrig erklärt, stellt nur eine von vielen Etappen im Kampf des Medienunternehmers gegen die Behörden dar.

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Berlusconis Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord hatte den Richtern mit Volksaufständen gedroht, falls sie das Immunitätsgesetz ablehnen sollten. Als das Gericht am Ende gegen die Immunität entschied, bezeichnete der Ministerpräsident die Entscheidung als "politisches Urteil", für das Staatspräsident Giorgio Napolitano und die linke Opposition verantwortlich seien. Respekt vor Institutionen wie Gerichten oder dem Staatsoberhaupt zeichneten Berlusconi noch nie besonders aus. In so scharfem Ton hatte er Napolitano jedoch bislang noch nie angegriffen. Dieser hatte im Übrigen das Immunitätsgesetz mit seiner Unterschrift ratifiziert.

"Arroganz und Missachtung"

Die Mitte-Links-Opposition begrüßte erwartungsgemäß das Urteil und forderte Berlusconi zum Rücktritt auf. Mit der höchstrichterlichen Entscheidung sei nicht nur das Immunitätsgesetz gefallen, sondern auch "eine Mehrheit, die seit 15 Jahren mit Arroganz und unter Missachtung der Institutionen das Parlament zwingt, offen verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden", sagte der Fraktionsvorsitzende der Partei "Italia dei valori" in der Abgeordnetenkammer, Massimo Donadi. Da die Opposition jedoch gegenwärtig von inneren Streitigkeiten um Macht und Ausrichtung beherrscht ist, wird sie die wachsende Schwäche des Regierungschefs nicht für sich nutzen.

Berlusconi hatte bereits 2003 gegen den Widerstand der Opposition ein Immunitätsgesetz verabschieden lassen, nachdem der Versuch gescheitert war, eine von beiden Lagern getragene Regelung zu finden. Es entzog die Staats-, Minister-, Kammer und Senatspräsidenten sowie den Präsidenten des Verfassungsgerichts dem Arm der Justiz. Im Januar 2004 erklärte das Oberste Gericht es für verfassungswidrig, unter anderem weil es eine zeitlich unbegrenzte Immunität nicht ausschloss. Im zweiten Anlauf legte Justizminister Alfano im vergangenen Jahr eine neue Regelung vor. Sie garantierte den vier Inhabern der höchsten Staatsämter die Möglichkeit, nach einer Wiederwahl erneut in den Genuss der Immunität zu gelangen.

Gleichheitsgrundsatz verletzt

Nach zweitägigen teils heftigen Debatten entschieden die Obersten Richter an ihrem Sitz gegenüber dem Palast des Staatspräsidenten auf dem römischen Quirinalshügel nun, das Immunitätsgesetz verletzte in zwei Punkten Verfassungsgrundsätze. Der Schutz der vier höchsten Staatsämter vor der Justiz könne nur durch eine Verfassungsänderung geregelt werden. Zudem verletze das Gesetz, das Berlusconi als erstes nach der letzten Parlamentswahl im Frühjahr 2008 verabschieden ließ, den Gleichheitsgrundsatz. Damit zog die Mehrheit der Richter die Möglichkeit einer Immunität für Politiker, wie sie etwa in Deutschland besteht, nicht grundsätzlich in Zweifel. Sie bemängelten vielmehr die auf die Bedürfnisse einer Person zugeschnittene Form der nach dem Justizminister "Lodo Alfano" genannten Regelung. Für eine Verfassungsänderung wäre eine Zweidrittelmehrheit in beiden Parlamentskammern erforderlich. Andernfalls müsste eine entsprechende Reform per Volksentscheid ohne Quorum bestätigt werden.

Nachdem das Immunitätsgesetz per Gerichtsentscheid außer Kraft gesetzt ist, droht Berlusconi die Wiederaufnahme von zwei Prozessen. In einem Fall steht er unter Anklage, den britischen Anwalt David Mills in einem Fall von Steuerhinterziehung mit einer halben Million Euro bestochen zu haben. Zudem steht der Medienunternehmer im Verdacht, beim Kauf von Filmrechten für den Mediaset-Konzern mit Hilfe von Off-Shore-Firmen Schwarzgeldfonds eingesetzt zu haben.

Fiat-Präsident Luca Cordero di Montezemolo verurteilte einerseits Verschwörungstheorien der Regierung, die die Richter bezichtigen, im Interesse der Opposition zu handeln. Andererseits sprach er unabhängig vom Verfassungsgerichtsentscheid die Hoffnung aus, dass die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleibt. Alle Parteien und gesellschaftlichen Kräfte müssten sich in der derzeitigen Wirtschaftskrise darauf konzentrieren, wie Italien sich in den kommenden fünf Jahren entwickle, fordert der Gründer der neuen politischen Vereinigung "Italia Futura".