Köhler: Kirche hat den Menschen etwas zu sagen

Köhler: Kirche hat den Menschen etwas zu sagen
In gesellschaftlichen Fragen Stellung beziehen, vor allem aber nicht das Heil des Menschen aus den Augen verlieren: Dazu hat der Bundespräsident die Kirche aufgefordert.

Bundespräsident Horst Köhler hat die Kirchen ermuntert, in gesellschaftlichen Fragen Stellung zu beziehen. Zugleich dürften sie nicht das Heil des einzelnen Menschen aus dem Blick verlieren, sagte Köhler am Samstag zum Abschluss der Zukunftswerkstatt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Kassel. Zuvor hatte der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Wolfgang Huber, davor gewarnt, sich dem Zeitgeist anzupassen. "Christen stehen für etwas ein im wechselnden Strom der Zeitgeister", sagte er.

"Angewiesen auf das Profil christlicher Weltdeutung"

Köhler sagte vor rund 1.000 Zuhörern am Kasseler Hauptbahnhof, es sei unverzichtbar, dass evangelische wie katholische Kirche aus ihrer Glaubensgewissheit heraus Fragen stellen und Antworten suchen, unter anderem zur Wirtschaftskrise, zur Arbeitslosigkeit und zum Klimawandel. "Unsere Gesellschaft ist angewiesen auf das besondere Profil christlicher Weltdeutung", sagte er.

Im "vielstimmigen Chor der Gegenwart" hätten die Kirchen eine besondere Chance, gehört zu werden, wenn sie eine von Hoffnung geprägte Botschaft in die Gegenwart übersetzen. "Gerade auch als Bundespräsident sage ich: Unsere Gesellschaft ist angewiesen auf das besondere Profil christlicher Weltdeutung, auf die vom Glauben geprägte Sicht auf die Welt und den Menschen." Kirche sei Teil des Lebens: "Sie gehört mit ihren Themen auf die Straßen und Plätze, und sie hat den Menschen etwas zu sagen." Köhler sagte, die Botschaft der Nächstenliebe sei "aktueller denn je". Das Streben nach immer höherem materiellen Gewinn sei gerade an Grenzen gestoßen.

Die Fragen der Kirche müssten die Fragen der Menschen sein. "Dann sind die Kirchen auch für die attraktiv, die ihnen fernstehen oder die noch auf der Suche sind." Der Weg zum 500. Jahrestag der Reformation im Jahr 2017 sei "Ermutigung dazu, sich immer wieder selber zu prüfen, sich immer wieder zu reformieren, wo es notwendig ist", sagte Köhler.

"Eher auf Predigt als auf Lieder verzichten"

Zum Auftakt eines Stationenweges mit Lesungen, künstlerischen Darbietungen und Installationen an sechs Orten in Kassel, dessen letzte Etappe auch Köhler mitgegangen war, hatte der Hamburger Theologe Fulbert Steffensky am Samstagmorgen die Schönheit des Protestantismus gelobt. Dazu gehörten unter anderem die Musik und die Lieder. "Ich kann im Gottesdienst eher auf die Predigt verzichten als auf die Lieder", sagte er.

Zugleich würdigte er die Verschiedenheit im kirchlichen Leben. "Es gibt keinen genormten Protestantismus", sagte Steffensky. Gottesdienste im lutherischen Hamburg unterschieden sich von denen der Reformierten in Emden. Es gebe den heißen schwäbischen Pietismus und die norddeutsche Kühle. Viele wünschten sich eine Theologie, eine Kirchenverfassung und einheitliche Gottesdienste zwischen Flensburg und München. Aber Einförmigkeit sei nie ein Ideal.

Bei der EKD-Zukunftswerkstatt in Kassel hatten 1.200 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter aus den 22 Landeskirchen seit Donnerstag nach Wegen gesucht, mit den kirchlichen Angeboten wieder mehr Menschen zu erreichen und den anhaltenden Mitgliederschwund zu stoppen. Zugleich wurde eine Zwischenbilanz des vor drei Jahren von der EKD-Spitze unter dem Titel "Kirche der Freiheit" eingeleiteten Reformprozesses gezogen.

Wesentlich vorangetrieben wurden die Veränderungen von Bischof Huber, der Ende Oktober mit 67 Jahren als EKD-Ratsvorsitzender ausscheidet und kurz darauf auch das Bischofsamt in Berlin abgibt. "Wir sind im Aufbruch", sagte er zum Abschluss der Zukunftswerkstatt. Die evangelische Kirche sei der Zeit zugewandt und bleibe doch frei und unabhängig von ihr, denn sie sei seit Jahrhunderten mit Gottes Verheißung verbunden.

epd/dpa