Bibelserie: Von abgeschlagenen Ohren und geprüften Nieren

Foto: akg-images / Erich Lessing
Petrus haut Malchus ein Ohr ab. Wandmalerei aus dem 14. Jahrhundert in der Kathedrale von Spilimbergo (Italien).
Bibelserie: Von abgeschlagenen Ohren und geprüften Nieren
Organtransplantationen waren zu biblischen Zeiten natürlich noch nicht möglich. Für das Verständnis des Alten Testamentes wäre diese Idee vermutlich auch ganz fremd, denn die Organe eines Menschen sind in der Bibel mehr als nur Gewebe. In ihnen sitzen Gefühle, Verstand und Gewissen. Vor allem das Alte Testament kennt nicht die Unterscheidung zwischen Leib und Seele - der Mensch ist immer ein Ganzes. Die menschlichen Organe spielen auch in der Symbolsprache des Neuen Testamentes eine Rolle.

Herz

1 Samuel 10,9; Psalm 22,27; Jeremia 3,15; Markus 12,30; Matthäus 5,8; Apostelgeschichte 4,32; Römer 1,24. 2,29
Das Herz, schönstes und tiefsinnigstes der Organe: Es ist der Sitz des Lebens und vieler Gefühle, von Angst, Liebe und Mut. Erhält ein Mensch eine neue Aufgabe oder Berufung, gibt Gott ihm ein "anderes Herz" – Paulus umschreibt dies, wenn er von der "Beschneidung des Herzens" spricht. 

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Paulus meint, das Herz müsse geläutert werden, denn aus den "Begierden des Herzens" folgten Unreinheit und somit allerlei Sünden. Dass man "mit ganzem Herzen" Gott lieben soll – an diesen Rat aus dem Gesetz des Mose erinnert Jesus. In der Bergpredigt erklärt er seinen Jüngern: "Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen." Die ersten Christen in Jerusalem waren denn auch "ein Herz und eine Seele". Übrigens hat auch Gott ein Herz: "Ich will euch Hirten geben nach meinem Herzen."
Zitat: "Euer Herz soll ewiglich leben."

Nase

1 Mose 2,7; Sprüche 30,33; Psalm 115,6; Hohelied 7,5; Weisheit 2,2; Amos 4,10
Die Nase ist wichtig im Schöpfungsgeschehen: Durch sie hauchte Gott dem Körper des ersten Menschen Leben ein. Das Riechen ist wichtigste Funktion der gottgegebenen Nase – über Götzen spottet der Psalmbeter: "Sie haben Nasen und riechen nicht". Bisweilen kommt es vor, dass Gott Menschen durch üblen Geruch zum Gehorsam bringen will. Das biblische Nasen-Schönheitsideal ist lang und gerade – nur so ist das Kompliment zu verstehen, das Salomo seiner Geliebten Sulamith macht: "Dein Nase ist wie der Turm auf dem Libanon". Einen Gesundheitstipp hat das Buch der Sprüche parat: "Wer die Nase hart schneuzt, zwingt Blut heraus."
Zitat: "Der Atem in unsrer Nase ist nur Rauch."

Nieren

Psalm 26,2; 73,21; 139,13; Hiob 16,13; Jeremia 11,20; Offenbarung 2,23
Den biblischen Menschen ist klar, dass Gott auch die "Nieren bereitet" hat. Sie bezeichnen oft das Innerste und Geheimste des Menschen. Wenn der leidende Hiob klagt, Gott habe seine "Nieren durchbohrt und nicht verschont", meint er eine besonders tiefe Verletzung, die ihm zugefügt worden sei. Den Psalmbeter "stach es tief in (seinen) Nieren" – auch dies meint übergroßes Leid. Wenn Gott "Herz und Nieren prüft", bedeutet das, Gott begutachtet das Gewissen eines Menschen. Daran müssen die Ungläubigen im Jüngsten Gericht erinnert werden.
Zitat: "Prüfe mich, Herr, und erprobe mich, erforsche meine Nieren und mein Herz!"

Leber

Sprüche 7,22f.; Hesekiel 21,26; Tobias 8,2.
Die menschliche Leber ist in der Bibel als lebenswichtiges Organ bekannt. Dafür wurde in Nachbarländern Israels auf die Lebern von Tieren allerhöchste Aufmerksamkeit gelegt. In Mesopotamien wurde das Leber-Orakel praktiziert: Einem Opfertier wurde die Leber entnommen; aus ihrer Form und Beschaffenheit schlossen die Ratsuchenden auf zukünftige Ereignisse. Nebukadnezar etwa, der "König von Babel", beschaute in einer Entscheidungssituation die Leber. Eine Fischleber spielt im Tobiasbuch eine wichtige Rolle. Ein Engel riet Tobias, die Leber eines Fisches auf glühende Kohlen zu legen; der so entstehende Rauch werde "alle bösen Geister" vertreiben. Tobias befolgte den Rat – und siehe, es wirkte.
Zitat: "Er folgt ihr nach, bis ihm der Pfeil die Leber spaltet."

Auge

3 Mose 21,20; 5 Mose 15,9; 2 Könige 6,17; Psalm 11,4; 35,19; Tobias 2,11; Matthäus 5,29; 6,22
Sehen ist in der Bibel viel mehr als bloßes Sehen – es meint wirkliches Erkennen in allen Dimensionen. Deshalb fleht der Prophet Elisa: "Herr, öffne ihm die Augen, dass er sehe!" Augenkrankheiten plagten die Menschen, zum Beispiel ein "weißer Fleck" im Auge oder die Folgen von Verunreinigungen. Auch Gott hat Augen – er blickt mit ihnen "herab, seine Blicke prüfen die Menschenkinder". Ironisches Augenzwinkern ("mit den Augen spotten") ist hingegen von Menschen bekannt. Das mosaische Gesetz mahnt, man solle den "armen Bruder … nicht unfreundlich" ansehen. Jesus bezeichnet das Auge als "Licht des Leibes", an dem man erkennt, ob jemand licht oder finster ist. Jesus rät, mit dem Auge gegebenenfalls rigoros umzugehen – dann, wenn das Gesehene einen Menschen in Versuchung gebracht hat. Blinde hingegen heilt Jesus.
Zitat: "Wenn dich aber dein rechtes Auge zum Abfall verführt, so reiß es aus und wirf's von dir."

Ohr

Jesaja 50,4; Weisheit 1,10; Sprüche 5,1; 18,15; 28,9; Hiob 12,11; Lukas 22,50f.
Menschen haben Ohren, damit sie die Botschaft des Glaubens hören. Deshalb rät ein frommer Vater seinem Sohn: "Neige dein Ohr zu meinen Worten". "Das Ohr der Weisen sucht Erkenntnis", heißt es - wer bewusst weghört, "dessen Gebet ist ein Gräuel". Von dem vielen Gehörten nur das Wichtige zu hören, ist eine große Aufgabe, "denn das Ohr prüft die Rede". So wie Gottes Augen alles sehen, hören seine Ohren alles - auch "das Gerede der Murrenden". Schlecht erging es dem Ohr eines jener Soldaten, die Jesus auf dem Berg Genezareth gefangen nahmen. Erbost hieb Petrus ihm mit dem Schwert das rechte Ohr ab. Aber Jesus heilte ihn…
Zitat: "Alle Morgen weckt er mir das Ohr."

Eingeweide

2. Chronik 21,15.19; Zefanja 1,17; Sirach 10,10
"Eingeweide" nennt die Bibel schlicht die inneren Organe des Menschen. Sie können erkranken - der Prophet Elia kündigte dem von Gott abtrünnigen König Joram gar an, seine Eingeweide würden "vor Krankheit heraustreten". So geschah es, und Joram "starb unter schlimmen Schmerzen".

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Der Prophet Zefanja kündigt sogar an, an einem "Tag des Zorns" würden die Eingeweide sündiger Menschen weggeworfen. Der weise Jesus Sirach machte hochmütigen Menschen drastisch klar, dass sie nicht besser als andere sind: "Was überhebt sich der Mensch, der nur Schmutz und Kot ist? Nichts anderes scheiden ja seine Eingeweide aus, solange er lebt!"
Zitat: "Du aber wirst viel Krankheit haben in deinen Eingeweiden."

Zum Weiterlesen:
Richard Rohr: Ins Herz geschrieben. Die Weisheit der Bibel als spiritueller Weg, Freiburg/Brsg. 2008