Menschenrechtsinstitut: Kirchliche Angestellte vor Gericht benachteiligt

Foto: epd/Carola Fritzsche
Menschenrechtsinstitut: Kirchliche Angestellte vor Gericht benachteiligt
Die besonderen Rechte kirchlicher Arbeitgeber sorgen immer wieder für Streit. Vor Gericht gewinnen zu oft die Kirchen, kritisiert das Deutsche Institut für Menschenrechte. Es fordert eine bessere Abwägung der Gerichte zugunsten der Beschäftigten.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte kritisiert den Umgang deutscher Gerichte mit Streitfällen, die das kirchliche Arbeitsrecht betreffen. Das Verhältnis zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und den individuellen Menschenrechten der Beschäftigten und Bewerber sollte neu austariert werden, heißt es in einem Positionspapier, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Das Menschenrechtsinstitut beklagt, dass Gerichte in der Vergangenheit dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen in der Regel den Vorrang gegeben haben. Die Rechte der Religionsgemeinschaft und der Betroffenen seien insgesamt besser abzuwägen.

Die Kirchen haben durch ihr grundgesetzlich verbrieftes Selbstbestimmungsrecht mehr Freiheiten im Arbeitsrecht als andere Arbeitgeber. So dürfen sie beispielsweise verlangen, dass Angestellte Mitglied einer Kirche sind. In Einzelfällen sieht Sebastian Müller, Autor des Papiers des Menschenrechtsinstituts, aber Probleme, beispielsweise wenn es um die Kündigung eines wiederverheirateten Angestellten bei einem katholischen Träger geht. Selbstbestimmungsrecht und individuelle Rechte kämen dann in ein Spannungsverhältnis. "Das betrifft beispielsweise das Recht auf individuelle Religionsfreiheit, das Recht auf Privat- und Familienleben und auf diskriminierungsfreien Zugang zum Arbeitsmarkt", sagte Müller.

"In der Analyse der Gerichtsurteile zeigt sich, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen eigentlich immer den Vorrang bekommt", beklagt Müller. Nach seiner Einschätzung kann daraus ein relevantes Problem werden: "Es betrifft immerhin 1,2 Millionen Menschen, die bei den Kirchen angestellt sind." Die Kirchen sind der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland.

Das Institut empfiehlt in dem Papier eine Änderung der Rechtsprechung, die sich bisher zu sehr am Selbstverständnis der Kirchen orientiere. Gerichte müssten in jedem Einzelfall prüfen, welches Recht schwerer wiegt - das der Kirche oder das des Angestellten oder Bewerbers.

Andernfalls würden die Religionsgemeinschaften faktisch selbst die Grenzen bestimmen, "innerhalb derer sich ein Gericht bei der Ausübung von Schutzpflichten bewegen kann", heißt es in dem Papier. Das Selbstbestimmungsrecht würde damit in die Nähe eines absoluten Rechts gerückt. Die internationale Menschenrechtsordnung kenne aber nur wenige absolute Rechte wie das Verbot der Folter und Sklaverei. "Gleichen Rang kann die Religionsfreiheit nicht beanspruchen", heißt es in dem Papier.

Zudem fordert das Institut die für Religionsgemeinschaften geltende Ausnahmereglung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz enger auszulegen oder vom Gesetzgeber nochmals zu überprüfen. Das Antidiskriminierungsgesetz verbietet eine Benachteiligung im Arbeitsmarkt etwa wegen des Geschlechts, Alters, der Herkunft oder der Religion. Religionsgemeinschaften können sich auf eine Ausnahme berufen, wenn ihr Selbstverständnis berührt wird.

Außerdem ermutigt das Institut die Kirchen, interne Debatten über arbeitsrechtliche Streitfälle fortzuführen, und erkennt die bisherigen Bemühungen an. Die Stellungnahme sollte am Donnerstag auf der Internetseite des Instituts veröffentlicht werden.