Helfer fordern freien Zugang zu Notleidenden

Helfer fordern freien Zugang zu Notleidenden
Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos fordert die Regierung von Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi auf, den Hilfsorganisationen Zugang zu allen umkämpften Gebieten zu gewähren. Im Gespräch mit dem epd äußerte sie sich besorgt über die Lage der Zivilisten in dem eskalierenden Konflikt. Zudem beklagte sie, dass die Weltgemeinschaft das Leid in der Elfenbeinküste nicht ausreichend zur Kenntnis nehme.
26.03.2011
Die Fragen stellte Jan Dirk Herbermann

Haben die Angriffe der westlichen Staaten die Not und das Leid der Zivilisten in Libyen verschärft?

 

Amos: Ich bin besorgt, dass es Auswirkungen auf die humanitäre Lage geben könnte. Ich würde mir gerne selber ein Bild von der Lage machen. Wir haben aber keine glaubwürdigen Informationen über die Auswirkungen der Luftangriffe auf die Bevölkerung.

Die Libyer verweigern den UN-Hilfsorganisationen und anderen Helfern seit Ausbruch der Gewalt vor mehr als fünf Wochen den Zugang zu der notleidenden Bevölkerung. Warum?

Amos: Das ist sehr schwierig zu beantworten. Die Libyer behaupten, sie könnten selbst alle notleidenden Menschen mit Medikamenten, Lebensmitteln und anderen Hilfsgütern versorgen. Ich würde mich sehr gerne davon überzeugen, ob das zutrifft. Wir wissen, dass die Lebensmittelvorräte im Osten Libyens noch für rund vier Wochen reichen.

Sie verhandeln mit den Libyern über einen freien Zugang für die UN zu den notleidenden Menschen?

Amos: Ja. Wir müssen ungehindert überall hingehen können, um den notleidenden Menschen zu helfen. Die Regierung Libyens hat den UN vor drei Wochen entsprechende Zusagen gemacht. Wir haben uns aber noch nicht auf die Einzelheiten geeinigt.

In Libyen sitzen noch viele ausländische Arbeitskräfte fest, die vor der Gewalt fliehen wollen. Was wissen sie über das Schicksal der Menschen?

Amos: Ein UN-Mitarbeiter sah tausende Schwarzafrikaner vor dem Flughafen von Tripolis. Die Menschen harrten tagelang unter erbärmlichen Zuständen aus, sie warteten auf einen Flug in ihre Heimat. Das war vor der Errichtung der Flugverbotszone durch die UN. Wir wissen nicht, was aus den Menschen geworden ist.

Der Libyen-Konflikt hat sich in den vergangenen Wochen dramatisch verschärft. Was wäre das schlimmste Szenario?

Amos: Das wäre ein langanhaltender, flächendeckender Krieg. In diesem Fall würden wahrscheinlich viele Libyer mit ihren Familien aus dem Land fliehen. Die UN bereiteten sich auf das Schlimmste vor.

Was käme auf die Menschen im schlimmsten Fall zu?

Amos: Bislang flohen etwa 350.000 Migranten, die wollen zurück in ihre Heimat. Wir organisieren für diese Menschen die Reise in ihre Heimatländer. Wenn aber Libyer fliehen, brauchen wir Flüchtlingslager, in denen die Menschen wahrscheinlich eine lange Zeit ausharren müssten. Wir wissen von anderen Kriegen, etwa auf dem Balkan, wie schwierig das Leben in den Camps für die Menschen ist.

In der Elfenbeinküste scheint der schlimmste Fall einzutreten. Truppen des abgewählten Präsidenten Laurent Gbagbo kämpfen gegen den international anerkannten Wahlsieger Alassane Ouattara. Mehr als 100.000 Ivorer sind bereits vor der Gewalt aus ihrem Land geflohen, innerhalb des Landes sind Hunderttausende auf der Flucht.

Amos: Wir haben eine schwere humanitäre Krise, aber kaum einer kümmert sich darum. Ich bin sehr besorgt über die mangelnde Hilfsbereitschaft der Weltgemeinschaft für die Menschen in der Elfenbeinküste. Viele Geberländer zögern leider mit Zahlungen für die humanitäre Hilfe.

Wieso berührt das Schicksal der Ivorer die Weltgemeinschaft so wenig?

Amos: Dafür gibt es viele Ursachen. Natürlich haben wir die Gewalt in Libyen und die Katastrophe in Japan. Die Welt erlebt derzeit sehr viele fürchterliche Situationen. Auch zeigen die internationalen Medien kein starkes Interesse für den eskalierenden Konflikt in der Elfenbeinküste.

epd