Holpriger Start für Tunesiens Übergangsregierung

Holpriger Start für Tunesiens Übergangsregierung
Die neue tunesische Übergangsregierung ist bereits kurz nach ihrer Ernennung in Turbulenzen geraten. Mehrere Gewerkschaftsvertreter verließen das Kabinett schon wieder.

Kaum im Amt ist die tunesische Übergangsregierung bereits in schwere Turbulenzen geraten. Vier designierte Minister kündigten am Dienstag ihren Rückzug an. Nach heftigen Protesten der Bevölkerung wollten sie nicht mehr zu einem Kabinett gehören, in dem sechs Mitglieder der alten Garde des geflüchteten Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali ihren Posten behalten haben.

Tunesier fordern Auflösung der Ex-Regierungspartei RCD

Zeitweise sah es nach Berichten von Diplomaten so aus, als ob die Regierung ganz auseinanderbrechen würde. Viele Tunesier fordern die Auflösung der Ex-Regierungspartei RCD. Die Polizei setzte erneut Tränengas ein, um Demonstranten zu zerstreuen. Zum ersten Mal seit Tagen gab es in Tunis keine Schießereien mehr.

Als Reaktion auf die Proteste traten Ministerpräsident Mohammed Ghannouchi und Übergangspräsident Foued Mebazaa aus der RCD aus. Die Partei trennte sich ihrerseits von zahlreichen prominenten Mitgliedern, die dem verhassten Trabelsi-Clan der Ehefrau der früheren Präsidenten, Leila Trabelsi, angehören.

Die Regierung kündigte außerdem an, die Verantwortlichen für den Gewaltexzess bei den Demonstrationen zur Rechenschaft zu ziehen. Nach offiziellen Angaben kamen dabei 78 Menschen ums Leben. Ghannouchi verteidigte den Verbleib der alten Garde: "Sie haben saubere Hände", sagte er dem französischen Sender Europe 1. Sie hätten ihre Posten behalten, weil das Land sie jetzt brauche.

"Der ganze Apparat muss weg"

Viele Tunesier sehen das anders. "Es reicht nicht, dass Ben Ali verschwindet. Der ganze Apparat muss weg", sagte eine 45 Jahre alte Gymnasiallehrerin bei der Demonstration in Tunis. "Wir wollen keine neuen Versprechen mehr, man hat uns jahrelang nur leere Versprechen gemacht". Sie klagte, dass die Schulen und Universitäten noch immer geschlossen seien. "Wir wollen auch einen Teil des Reichtums", rief ein junger Mann. "Wer in der Partei ist, ist reich, alle anderen sind arm", sagte er. "Wir haben kein Vertrauen in die neue Regierung."

Der Oppositionelle Moncef Marzouki (65), der als erster seine Kandidatur für das Präsidentschaftsamt angekündigt hatte, kehrte unterdessen aus dem französischen Exil nach Tunesien zurück. Er forderte einen Prozess gegen den früheren Machthaber Ben Ali und dessen Auslieferung durch Saudi-Arabien. Dort hält der 74-Jährige sich derzeit mit seiner engsten Familie in einem Palast der Herrscherfamilie auf. Marzoukis Partei CPR (Republikanischer Kongress) war unter Ben Ali verboten und ist bislang nicht an der Übergangsregierung beteiligt.

Zu den Verweigerern in der designierten Regierungsmannschaft von Ghannouchi gehören drei Mitglieder der Gewerkschaft UGTT sowie Mustapha Ben Jaafar von der FDTL-Partei.

dpa