Einberufung ade: Zapfenstreich für die Wehrpflicht

Einberufung ade: Zapfenstreich für die Wehrpflicht
Verteidigungsminister Guttenberg hat viel vor mit der Bundeswehr. Die Wehrpflicht wird in diesem Jahr ausgesetzt, die Truppe wird umgebaut, die Standorte werden überprüft. Im Superwahljahr 2011 könnte aber aus den Ländern Widerstand drohen, wenn es an ihre Kasernen gehen sollte.
03.01.2011
Von Marc-Oliver von Riegen

Die Wehrpflicht in ihrer bisherigen Form ist seit Montag vorerst Geschichte. Schon ab dem 1. März soll es nur noch freiwillige Soldaten geben, die ihren Dienst antreten. Das ist längst nicht alles, was Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in diesem Jahr und den folgenden Jahren mit der Truppe vor hat.

Neben der Aussetzung der Wehrpflicht wird die Bundeswehr drastisch verkleinert, und die Standorte werden unter die Lupe genommen. Dazu kommt, dass gespart werden muss - nicht nur in der Bundeswehr, auch im Verteidigungsministerium. Für Guttenberg ist es der "tiefgreifendste Einschnitt in der Geschichte der Bundeswehr".

Am Montag hieß es für rund 12.000 Wehrpflichtige aber nochmal: Antreten! Guttenberg sieht aber für einen sechsmonatigen Wehrdienst keine Begründung mehr von der Sicherheitspolitik her. Deshalb kritisiert der Chef des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, dass noch einmal so viele Wehrpflichtige regulär zum Dienst antreten müssen. "Dann ist es schon schwierig, zum Januar 2011 noch jemanden einzuberufen", sagt Kirsch. Der Wehrdienst war erst im vergangenen Jahr von neun auf sechs Monate verkürzt worden. Viele Politiker halten die Wehrgerechtigkeit nicht mehr für gegeben.

Wehrpflichtige dürfen nicht einfach zuhause bleiben

Was passiert, wenn ein Soldat einfach nicht zum Dienst kommt? Wer gerade erst einen Job oder einen Ausbildungsvertrag bekommen hat, kann auf eine Härtefallregelung hoffen. Es gab vor Dienstantritt auch die Möglichkeit, den Dienst zu widerrufen und zu verweigern. "Da muss mit Augenmaß und normalen Menschenverstand herangegangen werden", sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. "Was man natürlich nicht machen kann, ist zuhause zu bleiben." Wenn also jemand nicht erscheint, sind nach einer Drei-Tages-Frist die Feldjäger im Einsatz, und es drohen Disziplinarmaßnahmen. Das Ministerium geht aber von einer ganz normalen Einberufung aus.

Die Zentralstelle für die Rechte der Kriegsdienstverweigerer geht derzeit gegen überraschende Einberufungsbefehle an, die im Dezember noch kurz vor dem Jahresende verschickt wurden. "In den vergangenen Tagen haben zahlreiche junge Männer noch einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt", sagte der Zentralstellengeschäftsführer Peter Tobiassen am Montag in Bockhorn bei Wilhelmshaven dem epd.

Wer kurzfristig versucht habe, in der Kaserne anzurufen, um seine Verweigerung anzukündigen, sei zum Dienstantritt aufgefordert worden. Andernfalls werde er von den Feldjägern, also der deutschen Militärpolizei, gesucht. "Die Truppe verhält sich, als ob es in den nächsten Tausend Jahren noch die Wehrpflicht gibt", kritisierte Tobiassen.

Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), hatte am Montag die Bundeswehr aufgefordert, bei der Einberufung der letzten Rekruten Härtefälle zu vermeiden. Die Bundeswehr sollte beispielsweise verhindern, dass einzelne Wehrpflichtige ein ganzes Jahr länger auf ihren Studienbeginn warten müssen. Tobiassen sagte, Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) habe erklärt, dass niemand mehr gegen seinen Willen zur Bundeswehr einberufen werde. Die Praxis sehe jedoch ganz anders aus.

Zivildienst wider Willen? 

Bei den Zivildienstleistenden zeichne sich ein weiteres Problem ab, sagte Tobiassen. Viele Verweigerer hätten sich schon vor längerer Zeit eine Zivildienststelle gesucht. Das Bundesamt für den Zivildienst berufe diese jungen Männer nun zum Dienstbeginn im Februar oder März ein. "Formalrechtlich müssen sie den Dienst jedoch nicht mehr antreten und können sich mit einem Antrag davon befreien lassen."

Weil der Zivildienst eine gesetzlich vorgeschriebene Ersatzleistung für den sonst zu leistenden Wehrdienst ist, könne auch kein Mann mehr zum Zivildienst verpflichtet werden, sagte Tobiassen: "Wenn niemand mehr gegen seinen Willen zur Bundeswehr eingezogen werden kann, dann darf auch kein Verweigerer mehr gegen seinen Willen zum Zivildienst einberufen werden."

Bereits zum 1. März wird kein Soldat mehr gegen seinen Willen eingezogen. Weitere Termine sind der 1. April und der 1. Mai. Zum 1. Juli beginnt ein Freiwilligendienst, die Wehrpflicht wird ausgesetzt.

Der neue freiwillige Wehrdienst soll 12 bis 23 Monate dauern. Bis zu 15.000 Männer und Frauen sollen mitmachen. Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Wie will Guttenberg die Freiwilligen anlocken? Unter anderem mit Geld: Vom ersten Monat an ist ein Sold zwischen 777 und 1100 Euro im Monat - je nach Dauer - geplant. Das ist deutlich mehr als bisher. Die letzten regulären Grundwehrdienstleistenden bekommen zunächst 282,30 Euro und am Ende der Dienstzeit 305,40 Euro. Die Bundeswehr will möglichst viele von ihnen überreden, bei der Truppe zu bleiben.

Zu Guttenberg will 8,3 Millionen Euro einsparen

Politisch könnte die Bundeswehrreform auf einem anderen Feld brisant werden. Guttenberg überprüft die Standorte. Aus der Fläche wird sich die Bundeswehr nicht zurückziehen, betont er. Doch im Superwahljahr wird der CSU-Politiker um Auseinandersetzungen mit den Ländern vielleicht nicht herumkommen. Die Bundesregierung pocht darauf, dass bis 2014 bei der Bundeswehr 8,3 Milliarden Euro gespart werden müssen. Deshalb soll auch die Zahl der zivilen Mitarbeiter sinken - nach bisherigen Plänen um 10.000 bis 15.000 Dienstposten. Sie würde dann bei etwa 60.000 bis 65.000 liegen.

Auch der Zivildienst wird komplett umgekrempelt. Für Skepsis sorgt teilweise der Plan von Familienministerin Kristina Schröder (CDU), dass sich der Bundesfreiwilligendienst und das schon bestehende Freiwillige Ökologische Jahr wie auch das Freiwillige Soziale Jahr keine Konkurrenz machen sollen. Wer älter als 16 ist, kann bei dem Bundesfreiwilligendienst mitmachen - mindestens sechs und höchstens 24 Monate. Der Dienst soll mit rund 500 Euro monatlich gefördert werden. Ganz wird er aber die bisherigen rund 75.000 Kräfte nicht ersetzen können, das scheint jetzt schon klar.

dpa/epd