"Castingshows sind verantwortungsloser als 'Wetten, dass..?'"

"Castingshows sind verantwortungsloser als 'Wetten, dass..?'"
Hat das ZDF nach dem Unfall bei "Wetten, das..?" richtig gehandelt? Wer trägt die Verantwortung? Ein Interview mit Medienexpertin Diemut Roether.
06.12.2010
Die Fragen stellte Henrik Schmitz

Nach dem Unfall bei "Wetten, dass..?" beginnt nun die Suche nach den Verantwortlichen. Manche sehen die Schuld vor allem beim ZDF, andere betonen, dass die Kandidaten sich freiwillig Risiken aussetzen. Wie bewerten Sie die Frage nach Verantwortung?

Diemut Roether: Natürlich stehen beide in der Verantwortung: Derjenige, der eine waghalsige Wette anbietet ebenso wie die Redaktion, die die Wette senden will. Wer eine Wette anbietet sollte sich sicher sein, dass er sich nicht überfordert. Die Redaktion wiederum muss beachten, dass sie Leute nicht blind in ihr Unglück rennen lässt. Nach allem, was man weiß, ist das ZDF in diesem Fall verantwortungsvoll mit dem Kandidaten umgegangen. Er war ein sportlicher junger Mann, der das Risiko liebt. Aber ein tragischer Unfall kann immer passieren, auch bei weniger riskanten Wetten kann mal was daneben gehen. Verantwortungsloser finde ich, was andere Sender, beispielsweise RTL, mit Kandidaten von Casting-Shows machen, die bewusst gnadenlos der Lächerlichkeit preisgegeben werden.

Auch ein angeblicher Quotendruck wird ja nun erwähnt, wenn es um die Frage der Verantwortung geht...

Roether: Der Quotendruck ist vorhanden, das lässt sich nicht leugnen. Aber im Zusammenhang mit dem Quotendruck sollten sich die Medien, die, wenn "Wetten dass..?" mal weniger als zehn Millionen Zuschauer hat, darüber berichten, als sei dies eine Katastrophe, auch mal an die eigene Nase fassen. Acht oder neun Millionen Zuschauer sind immer noch eine bachtliche Größe.

Hat das ZDF nach dem Unfall mit dem Abbruch der Sendung richtig gehandelt?

Roether: Die Reaktion von Gottschalk und dem ZDF war die einzig richtige. "The Show must go on" wäre nicht die richtige Devise gewesen. Auch die beiden Moderatoren waren zu mitgenommen von dem, was da passiert ist.

Die Fans von Justin Bieber haben das anders gesehen und sich zum Teil beim ZDF über den Abbruch der Sendung beklagt.

Roether: Nun, Justin Bieber hat diese hysterische Reaktion der jugendlichen Fans ja gut gewendet, indem er dazu aufgerufen hat, für den Verletzten zu beten. In diesem Moment ist hoffentlich auch den Fans klar geworden, wie zynisch ihr Verhalten war.

Welche Konsequenzen empfehlen Sie angesichts des Unfalls?

Roether: Das ZDF hat bereits angekündigt, dass es die Sicherheitsstandards noch einmal erhöhen will. An der Show will der Sender aber festhalten. Eigentlich ist das aber eine Frage, die der Sender beantworten muss.


Diemut Roether ist verantwortliche Redakteurin des Fachdienstes epd medien. Von 1993 bis 2000 war sie Nachrichtenredakteurin bei Tagesschau und Tagesthemen. Seit 1995 ist sie außerdem als Dozentin bei verschiedenen Ausbildungseinrichtungen und Universitäten tätig. Sie studierte Journalistik, Informationswissenschaften, Literaturwissenschaften und Geschichte an den Universitäten Dortmund und Madrid. Regelmäßig ist Diemut Roether auch Mitglied der Jury des Adolf-Grimme-Preises.