Wie viel mehr Geld für ein menschenwürdiges Leben?

Wie viel mehr Geld für ein menschenwürdiges Leben?
Am Sonntag will Angela Merkel (CDU) mit ihrer schwarz-gelben Koalition über die künftigen Hartz-IV-Regelsätze entscheiden. Von einer Erhöhung um monatlich zehn bis 13 Euro ist die Rede. Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände setzen sich für eine sozial gerechte und menschenwürdige Lösung.

Die Regelsätze müssten sich am Existenzminimum orientieren "und an nichts anderem", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, in einem Interview der "Frankfurter Rundschau" (Samstag). Dagegen warnte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer vor einer finanziellen Überlastung. "Der Sozialstaat darf nicht aus dem Ruder laufen, er muss bezahlbar bleiben", sagte der CSU-Vorsitzende der "Bild am Sonntag".

Der Koalitionsausschuss will an diesem Sonntag über die Neuregelung von Hartz IV entscheiden. Seehofer erklärte, die CSU werde einer Regelsatzerhöhung nur zustimmen, "wenn es verfassungsrechtlich überhaupt nicht anders geht". Hilfe für die Arbeitslosen könne nicht so ausarten, "dass es diejenigen demotiviert, die Arbeit haben und davon sich und ihre Familie ernähren", fügte er hinzu. Allerdings muss Seehofer zufolge bei der Bildung mehr getan werden, "damit Armut sich nicht vererbt".

Gegen Kürzungen im Sozialetat

DGB-Chef Michael Sommer warnte davor, höhere Hartz IV-Sätze durch Kürzungen im Sozialetat zu finanzieren. "Die meisten Menschen würden das zu Recht nicht verstehen, wenn sie gleichzeitig hören, dass mal eben 40 Milliarden Euro zusätzlich an Garantien für die HRE locker gemacht werden", sagte Sommer der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) mit Blick auf die in Schieflage geratene Bank Hypo Real Estate.

Unmittelbar vor der entscheidenden Sitzung der Koalitionsspitzen waren bereits Zahlen zu den neuen Hartz-IV-Regelsätzen in die Öffentlichkeit gedrungen. Danach wird die geplante Anhebung weit weniger als 20 Euro betragen. Spekuliert wurde über einen Betrag zwischen zehn und 13 Euro. Regierungssprecher Steffen Seibert dementierte am Freitag, dass bereits Entscheidungen gefallen seien.

"Existenzminimum nicht gewährleistet"

Schneider vom Paritätischen sagte zu den Spekulationen: "Das Existenzminimum wäre dann nicht mehr gewährleistet." Die Alltagserfahrung zeige, dass man mit diesem Geld keine Chance habe, auch nur halbwegs über den Monat zu kommen. "Wenn diese geringe Erhöhung überdies damit begründet wird, dass man Tabak- und Alkoholausgaben aus dem Bedarf heraus gerechnet habe, dann ist das ein methodisch halbseidenes Vorgehen, das vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben wird", fügte Schneider hinzu.

Schneider hatte am Freitag vor politischem Kalkül bei der Höhe der Regelsätze gewarnt. Die Koalitionsrunde dürfe nicht in den Verdacht geraten, dass die vom Bundesverfassungsgericht verlangte nachvollziehbare Berechnung des Regelsatzes einer politischen Entscheidung zum Opfer falle, sagte er dem epd. Über den Regelsatz müsse im Bundestag entschieden werden, forderte Ulrich Schneider: "Der Koalitionsausschuss ist kein Verfassungsorgan."

DGB: Vermögende stärker belasten

Der Gewerkschafter Sommer plädierte nach Angaben der "Neuen Osnabrücker Zeitung" für eine stärkere Belastung Vermögender. Mit Blick auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes verlangte der Gewerkschafter in der Debatte um Hartz IV ein transparentes Verfahren sowie "eine seriöse Betrachtung" dessen, was tatsächlich ein menschenwürdiges Existenzminimum sei. Menschenwürde, erklärte Sommer weiter, mache sich "nicht fest an der Kassenlage des Bundes."

Der Sozialverband Deutschland warnte davor, mit den Reformplänen für die Hartz-IV-Sätze Rentner und Langzeitarbeitslose gegeneinander auszuspielen. Die Befürchtung, dass die Anpassungen des Arbeitslosengeldes II künftig höher ausfallen könnten als die der Altersbezüge, lenke vom eigentlichen Problem ab, sagte Verbandspräsident Adolf Bauer der "Rheinpfalz am Sonntag". Es wäre besser, das Arbeitslosengeld II nicht länger an die Rentenerhöhungen zu koppeln, sondern an die Preisentwicklung.
 

epd/dpa