Reges Gezwitscher bei Bundespräsidentenwahl

Reges Gezwitscher bei Bundespräsidentenwahl
Für viele Nutzer des Internetdienstes Twitter hat sich der Ausgang des ersten Durchgangs bei der Bundespräsidentenwahl als kleines Kommunikationsdesaster erwiesen.
01.07.2010
Von Christine Cornelius

Während der Bundespräsidentenwahl haben auch diesmal wieder viele Menschen getwittert. Private Nutzer des Internetdienstes Twitter gaben am Mittwoch vor, den Ausgang des ersten Wahlgangs bereits vor der offiziellen Bekanntgabe des Ergebnisses zu kennen. Diese brachte dann jedoch ein kleines Kommunikationsdesaster zum Vorschein - die Twitterer waren schlicht falsch informiert. Während der Auszählung des zweiten und dritten Wahlgangs waren sie dann deutlich zurückhaltender. Bei Twitter kann jeder alles verbreiten - auch unter falschem Namen.

Abgeordnete twitterten

Auch einige Delegierte twitterten aus der Bundesversammlung. Anders als bei der Wahl 2009 hielten sie sich aber mit der Vorabveröffentlichung von Ergebnissen zurück. In den vergangenen Tagen hatten die Fraktionen und der Ältestenrat vor allem an die Mitglieder der Zählkommission appelliert, dichtzuhalten. Bei der Wiederwahl Horst Köhlers 2009 plauderten gleich zwei Schriftführer über Twitter das Ergebnis aus - Julia Klöckner von der CDU und SPD- Fraktionsvize Ulrich Kelber.

Zahlreiche Nutzer des Twitterdienstes verkündeten diesmal beim ersten Wahlgang, Christian Wulff (CDU) habe gewonnen - was sich als falsch herausstellte. Andere beriefen sich auf "geheime Infos" und meldeten, Gauck sei neuer Bundespräsident. Einige wollten im Reichstag Blumensträuße gesehen haben und werteten dies als Zeichen für Wulffs Sieg.

"Christian Wulff ist neuer Bundespräsident. Wir gratulieren!!!", schrieb ein 42 Jahre alter Nutzer aus Bremen, der auf Twitter myBBQStore24 heißt und seinen richtigen Namen nicht nennen wollte. "Definitiv kein 2. Wahlgang!" Hinterher gestand er kleinlaut: "Wenn man sich mal auf Infos verlässt ... ist man verlassen. .."

Nach seiner Falschmeldung sei ihm die Lust am weiteren Twittern über die Wahl vergangen, sagte er am Abend. "Da machst du dich ja zum halben Deppen." Woher seine Fehlinformationen stammten, wollte er aber für sich behalten. Im zweiten und dritten Wahlgang stellten die meisten anderen Twitterer ebenfalls die Verbreitung angeblich sicherer Vorhersagen ein. Beim dritten Wahlgang gab es auch deutlich weniger Kommentare und Spekulationen.

"Titanic": "Wir dachten, wir tun ihr einen Gefallen damit"

Unter dem Namen der Schauspielerin Martina Gedeck (Twittername martinagedeck), die von den Grünen in die Bundesversammlung geschickt wurde, kamen vorab Kommentare, Wulff habe gewonnen. Diese erwiesen sich jedoch als Fälschung. Gedeck reagierte nach Angaben eines Grünen-Sprechers empört auf die falschen Nachrichten. Sie verwahre sich gegen diese Art des Missbrauchs ihres Namens und wolle ihren Anwalt einschalten. In der ARD sagte Gedeck, sie habe noch nie in ihrem Leben getwittert.

Hinter dem falschen Benutzerkonto unter Gedecks Namen steckte die Satirezeitschrift "Titanic", wie Chefredakteur Leo Fischer bestätigte. "Wir dachten, wir tun ihr einen Gefallen damit", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Immerhin sei ihr dadurch die Aufmerksamkeit der Medien sicher. Ihren Anwalt fürchte er nicht, sagte Fischer. Die "Titanic"-Redaktion sei entsetzt gewesen, dass "der Weichspüler" Wulff als Kandidat aufgestellt worden war.

Der Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, twitterte nach dem ersten Wahlgang: "Für die Linke gilt jetzt das alte FDJ-Lied: Sag mir, wo Du stehst, sag mir..." Sein Twitter-Konto ist verifiziert und gilt somit als glaubwürdige Quelle.

dpa