Spuren von Ostern

Spuren von Ostern
Wie aus einem Kiesweg, der durch einen Garten führt, ein Kreuzweg wird…

Ich war lange nicht hier. In den vergangenen Wochen und Monaten war es mir einfach zu kalt. Außerdem war das Gartentor oft verschlossen. Als würde der Garten dahinter Winterpause machen und dabei nicht gestört werden wollen. Aber in der Woche vor Ostern, der Karwoche, kehre ich zurück in den Comeniusgarten, der mir schon so oft Einlass gewährte. Er liegt nur ein paar Gehminuten von meinem Zuhause entfernt und manchmal tue ich so, als gehöre er zu meinem Zuhause. Ein Sehnsuchtsort, mitten in Berlin-Neukölln, den ich mir gern mit vielen anderen Sehnsüchtigen teile. Hier, hinter dem Gartenzaun, scheint die Zeit langsamer zu vergehen, es ruhiger zu sein. Ein geschützter Raum im Großstadttrubel, in einem Kiez, der häufig in einem Atemzug mit dem Wort „Problem“ genannt wird.

Der Comeniusgarten kann und will viel. Seine Gestaltung und Nutzung ist inspiriert durch Ideen des tschechischen Philosophen, Theologen und Pädagogen Johann Amos Comenius. Der Weg durch den Garten, vorbei an Wiesenflächen, Hochbeeten und entlang eines kleinen Bachs, soll an den Lebensweg des Menschen erinnern. Einzelne Flächen sind nach Lebensschulen benannt, die der Mensch, so Comenius, nach und nach durchlaufe. Seine Vorstellung: Die Seele als ein Garten. Angelegt von Gott. Vollendet durch Erziehung. Doch das erschließt sich nur denen, die danach fragen. Auf Hinweisschilder und Informationstafeln ist bewusst verzichtet worden. Vieles erscheint ursprünglich, naturbelassen und doch sehr gepflegt. An manchen Tagen wird der Garten von Kindergruppen und Schulklassen genutzt. Als Naturentdecker und kleine Forscher streifen sie umher, stellen Fragen, experimentieren. Außerdem bietet er denen Asyl, die sonst nirgendwo einen Platz zu haben scheinen. Hier sind alle willkommen.

Heute ist der Garten jedoch menschenleer, nicht einmal Gartengründer Henning Vierck, der sonst immer irgendwo zu sehen ist, begegnet mir bei meinem Streifzug. Ich gehe alleine über den knirschenden Kiesweg, vorbei an noch brachliegenden Wiesen, gestutzten Bäumen, blätterlosen Hecken. Alles ist kahl, ein bisschen trostlos. Doch das lässt auch einen anderen Blick zu. Während im Sommer alles grünt und blüht, und es überall lauschige Blätterverstecke gibt, ist nun alles frei und unverstellt. An der Backsteinmauer entlang des Gartens hängen vier Bilderrahmen. Eine kleine Gartengalerie. Kinder und Künstler haben zu verschiedenen Themen gemalt. Meine Schritte folgen dem Weg, meine Augen folgen den Bildern, vor allem aber den Worten über den Bildern: Alt & Neu – Wunder – Himmel – Licht, lese ich. Nicht mehr als das. Keine Informationstafel verrät etwas über das Projekt, in dessen Rahmen diese Werke entstanden sind.  Die Bilder und Worte sprechen für sich, laden ein, zu eigenen Gedanken.

Während ich dem Weg durch den Garten folge, klingen die Worte in meinem Kopf nach. Alt & Neu – Wunder – Himmel – Licht. Und je weiter ich laufe, desto mehr wird mir der Kiesweg zu einem Kreuzweg. Auch, wenn das nirgendwo steht. Aber hier, an diesem Montag in der Karwoche, in diesem Garten, der sich bemüht, einem Paradiesgarten zu gleichen, der brachliegt und doch neuerblühen wird, der alle Menschen gleichermaßen willkommen heißt, auch die, die sich schuldig gemacht oder ein Kreuz zu tragen haben, Verratene und Verurteilte, Suchende und Sehnende, da kann ich nicht anders, als an den Weg Jesu und an Ostern zu denken. An Altes und Neues, Vergehendes und Kommendes, an Wunder, an Himmel, an Licht.

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