Sonntags im Paradies

Sonntags im Paradies
Oder: Wie Gottesdienst im Urlaub geht...

Manchmal hilft ein wenig Abstand vom Alltag, um zu begreifen: Ein Gottes-Dienst braucht gar nicht so viel, wie es oft scheint. Denn viel mehr als auf äußere Formen, kommt es auf die eigene Haltung an. Auf das Ausrichten und Ganz-da-sein. Auf das Hinhorchen, Hinsehen, Hinfühlen. Auf das Annehmen und Gebenkönnen. Auf das Dankbarsein. Für alles, was ist. In diesem Moment.

Im Urlaub gelingt das oft leichter. Und so kann ein Gottes-Dienst eigentlich immer genau dort stattfinden, wo man sich gerade befindet. Mit den Füßen auf der Erde und dem Herzen im Himmel. Wie das geht?

Vielleicht, indem man Brötchenkrümel mit Möwen teilt oder auf dem Sofa liegt und träumt wie Josef.

Oder, wenn man im Radio „One of us“ hört und überlegt, wie es wäre, wenn Gott wirklich einer von uns wäre.

Oder, wenn man ein Tischgebet spricht und Hände reicht – ohne Unterscheidung zwischen Freunden und Fremden. Er hält die ganze Welt in seiner Hand.

Vielleicht auch, wenn man im Café am Hafen den Zehnten gibt: als Trinkgeld oder als zehntes Lächeln des Tages.

Oder, indem man eine Flaschenpost verschickt oder Worte und Wünsche in ein Gästebuch schreibt.

Vielleicht auch, wenn man in Kondensstreifen am Himmel plötzlich Kreuze entdeckt und sie wie ein Spiegelbild auf den eigenen Körper zeichnet.

Oder, wenn man das Abendbrot „Abendmahl“ nennt und es mit Spaghetti, grünem Pesto und Weißwein feiert.

Vielleicht ist ein Gottes-Dienst auch dann längst getan, wenn man einen krabbelnden Krebs am Strand zurück ins Wasser befördert und ihm so eine zweite Chance schenkt.

Oder, wenn man bei einem Spaziergang durch die Dünen plötzlich an die alte Geschichte von Spuren im Sand denken muss. Und an die Worte Gottes: „Da habe ich dich getragen.“

Möglicherweise auch dann, wenn man Zitronenfalter beobachtet und das Wunderglauben mit einem Mal ein wenig leichter fällt.

Oder, wenn man spät abends noch einmal eine dicke Jacke anzieht, hinaus ins Freie tritt und Sterne zählt, bis einem ganz schwindelig wird von so viel himmlischer Herrlichkeit.

Vielleicht auch dann, wenn man das Handy mal ausschaltet und dennoch alles in einem auf Empfang gestellt ist.

Oder, wenn man die Liebste oder den Liebsten küsst und da diese Gewissheit ist: Es braucht gerade nicht mehr zum Glücklichsein als das.

Manchmal hilft ein wenig Abstand vom Alltag, um zu begreifen: Ein Gottes-Dienst braucht gar nicht so viel, wie es oft scheint. Es reicht, wenn die Füße stehen, wo sie eben stehen und im Herzen Platz für Himmel ist. "Ich bin da", flüstert Gott dann seinen Namen. Und ich? Ich steh' am Strand von Hiddensee und denke leise: Amen.

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