Auch Puppen können tot sein

Panne bei Wohnungsräumung
Auch Puppen können tot sein
Einer Speditionsfirma unterlief ein makabrer Fehler

Es gibt Themen, über die wir nicht gerne reden. Natürlich: Der Tod. Trotzdem gibt es in diesem Blog ziemlich viele Beiträge, die sich um dieses Thema drehen. Denn es gibt nun mal auch in diesem Zusammenhang eine Menge Dinge, die schief gehen können. Manches ist nur zum Lachen, anderes sehr tragisch. Unsere heutige Geschichte ist irgendwie beides. Es geht um ein tragisches Schicksal eines Menschen und um ein recht ... na ja, ungewöhnliches Ende der Geschichte.

In Darmstadt kamen Gerichtsvollzieherin und  eine Speditionsfirma zu einer Zwangsräumung in eine Wohnung. Der Mieter hatte lange seine Miete nicht bezahlt, war zahlungsunfähig, hatte hohe Schulden. Was aus den betroffenen Menschen wird, ist Gerichten dabei offensichtlich egal – die Wohnung wird ausgeräumt und alles erst einmal eingelagert für den Fall, dass der nun Ex-Mieter seine Sachen irgendwann doch noch haben möchte und bereit und fähig ist, die Kosten zu zahlen.

Vom unglücklichen Mieter fehlte jede Spur. Dafür fand sich in der Wohnung eine dieser Übungspuppen für Pflegekräfte, angekleidet, sitzend an eine Heizung gelehnt. In Wohnungen findet man ja die seltsamsten Dinge, warum also nicht eine Übungspuppe. „Einpacken und mitnehmen!“ befand die Gerichtsvollzieherin, die Mitarbeitenden der Spedition dachten sich weiter nichts dabei und lagerten die Puppe ein wie alles andere auch.

Das war im Februar. Sie ahnen vermutlich schon, was kam: Die Puppe ... nun ja, sie veränderte sich. Irgendwas war komisch daran. So kam zum ersten Mal der Verdacht auf, es könne sich gar nicht um eine Attrappe handeln. Und tatsächlich: Eine Obduktion der „Puppe“ erkannte den schon seit langem vermissten ehemaligen Mieter der Wohnung.

Für die Staatsanwaltschaft ist der Fall abgeschlossen. Eine Straftat lag ja auch nicht vor, nur eine Verwechslung.

Und doch bleibt für mich die Trauer, ja das Bedauern über ein Leben, das offenbar in Schulden und Einsamkeit endete. Um einen Menschen, der nicht mal mehr als Mensch erkannt wurde. Um jemanden, den offenbar keiner vermisste, wenn man mal vom Vermieter absieht, der die ausbleibende Miete bemerkte.

Viele, viel zu viele Menschen sterben einsam, allein, ohne Angehörige. Auch ich habe schon Menschen beerdigt, die außer vom Friedhofsmitarbeiter nur von ein oder zwei Nachbarn begleitet wurden, „weil man das halt so macht, auch wenn ich den nicht kannte“. Das war auf dem Dorf. In der Stadt kommt da niemand mehr. Vielerorts, besonders in den großen Städten, gibt es daher mehr oder weniger regelmäßig Gottesdienste, in denen dieser Menschen gedacht wird. Beim „Gottesdienst für Unbedachte“ in Köln war ich vor über zehn Jahren mal zu Gast und fand das sehr berührend.

Manche Menschen sterben einsam, allein. Keine Zeitungsanzeige weist auf sie hin, das Sozialamt (oder welche Behörde auch immer jeweils zuständig ist) zahlt eine schlichte Beerdigung. Dieser unbekannte Mensch hier hat es durch die Verwechslung immerhin noch zu ein klein wenig Ruhm gebracht, zu ein paar Zeitungsartikeln und zu diesem Blogeintrag. Möge es ihm im Jenseits besser gehen. Er ruhe in Frieden.

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