Kerstin Held, Pflegemutter

Kerstin Held, Pflegemutter
„Ich sage dir, was für dich barrierefrei ist, ist für mich noch lange nicht barrierefrei."
04.06.2023 - 08:40

„Ich sage dir, was für dich barrierefrei ist, ist für mich noch lange nicht barrierefrei. Die hoch aufgehängte Barrierefreiheits- und Inklusionsdebatte ist nicht für jeden einzelnen Menschen sinnhaft zu füllen, weil kennt man einen, kennt man einen in dem Fall, der sich inkludiert fühlt, aber an einer anderen Stelle fühlt er sich das nicht mehr.“

Kerstin Held sagt von sich selbst, es sei das Normalste von der Welt für sie, vier Räder neben sich zu haben. „Ich bin mit einer Schwester groß geworden, die ihren ersten Elektrorollstuhl bekommen hat, da war ich fünf und sie war zweieinhalb. Ich war eigentlich nur sauer, dass ich keinen hatte. Also für mich hatte das nichts mit Behinderung zu tun, sondern eher damit, dass sie etwas Cooles hatte, was ich nicht hatte.“

Nach der Schule machte Kerstin Held ein freiwilliges soziales Jahr in einem Wohnheim mit behinderten Kindern und lernte dort Sascha kennen, der ihr erster Pflegesohn wurde. Mit ihm fing es an, dass sie behinderte Kinder zur Pflege bei sich zuhause aufnahm und ihnen das gab, was ihnen sonst oft verwehrt blieb: eine Familie. Seither hat sie über die Jahre 12 Kinder mit unterschiedlichen Behinderungen zur Pflege aufgenommen, 4 leben derzeit bei ihr: Cora, Richard, Jonathan und Maximilian. Auch wenn Kerstin Helds Alltag dadurch komplett fremdbestimmt ist, geben ihr die Pflegekinder immer wieder die Kraft, weiterzumachen. „Es ist eine Oase, wenn man mit dem kleinen Richard dasitzt und er einem sein Lieblingsspielzeug reicht und von sich aus ganz nah sein Ohr an meinen Mund drückt und darauf wartet, dass ich ihm was vorsinge. Dann gehe ich danach da raus und bin 2 Meter 50 groß.“

Als Vorsitzende des Bundesverbandes behinderter Pflegekinder (BbP) kämpft sie mittlerweile auch auf politischer Ebene für die Rechte ihrer Schützlinge. Ihr Ziel: „Wenn wir es schaffen, dass in erster Linie ein Kind ein Kind ist und dann kommt erst die Behinderung, dann sind wir auf einem guten Weg. Und wenn es dann heißt, Kinder mit Behinderung gehören nicht in Heime, wenn sie nicht in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen, sondern können in Pflegefamilien aufwachsen, und da tun wir alles für, dann ist es großartig.“

Weitere Infos zu ihr gibt es auf ihrer Webseite und in ihrem Buch „Mama Held: Jedes Kind hat ein Recht auf Familie“.

4. Juni 2023, 08:40 Uhr in SAT.1