TV-Tipp: "Kreuz des Südens"

Fernseher auf gelbem Hintergrund
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
6. Dezember, 3sat, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Kreuz des Südens"
In diesem österreichischen "Landkrimi" ermittelt der Wiener Kriminalkommissar auf dem Land. Er hat bei einem Einsatz einen Schlag auf den Schädel bekommen. Die Folgen sind posttraumatischen Belastungsstörungen, er ist nicht diensttauglich. Eigentlich will er nur das Haus verkaufen, aber dann kommt es in dem Zirkus, der gerade im Dorf gastiert, zu einem tödlichen Zwischenfall: Als sich Messerwerfer Daniel die Augen verbinden lässt, bohrt sich sein letzter Wurf nicht in die Zielscheibe, sondern ins Herz des Sägewerkbesitzers.

Seit einigen Jahren zeigt das ZDF immer wieder mal einen österreichischen "Landkrimi". Anders als beim "Tatort" gibt es in den Filmen, die seit 2014 abwechselnd in den verschiedenen Bundesländern spielen, keine festen Teams. Das Muster der Geschichten ist meist das gleiche: Ein Kommissar aus der Stadt ermittelt in der Provinz, wo er auf Einheimische stößt, die ihm die Arbeit nicht gerade erleichtern. "Kreuz des Südens" war die fünfte Produktion der Reihe und hatte seine ORF-Premiere bereits 2015. Im "Zweiten" war der Film allerdings nicht zu sehen; die TV-Premiere fand ebenso wie die heutige Wiederholung bei 3sat statt. Das wird jedoch weniger mit dem Alter des Films zu tun haben, zumal man ihm die Jahre nicht ansieht: Manche Dialoge sind für hiesige Ohren eine echte Herausforderung. Wenn sich Kommissar Wehrschitz (Andreas Lust) mit den alten Frauen in seinem einstigen Heimatort unterhält, werden viele Zuschauer kein Wort verstehen. Es spricht für Buch und Regie, dass die Geschichte trotzdem fesselt.

Der Wiener Kriminalkommissar hat bei einem Einsatz einen Schlag auf den Schädel bekommen. Die Hirnblutung konnte zwar operiert werden, aber nun ist er aufgrund der posttraumatischen Belastungsstörung psychisch und physisch nicht mehr diensttauglich; plötzliche Dunkelheit führt umgehend zu einer Panikattacke. Da trifft es sich gut, dass er im burgenländischen Reingraben den Nachlass seines verstorbenen Vaters regeln muss. Die Dörfler empfangen ihn allerdings nicht gerade herzlich. Auf frühere Mitbürger sind sie offenkundig nicht gut zu sprechen, obwohl sie regelmäßig ein Fest für die sogenannten Auswanderer veranstalten. Wehrschitz war allerdings erst vier Jahre alt, als seine Mutter damals ihren Mann verlassen hat. Seither hatte er keinen Kontakt mehr zum Vater.

Eigentlich will er nur das Haus verkaufen, aber dann kommt es in dem Zirkus, der gerade im Dorf gastiert, zu einem tödlichen Zwischenfall: Als sich Messerwerfer Daniel die Augen verbinden lässt, bohrt sich sein letzter Wurf nicht in die Zielscheibe, sondern ins Herz des Sägewerkbesitzers Fenninger. Wehrschitz kann die Dorfbewohner gerade noch von einem Lynchmord abhalten. Kurz drauf stirbt Daniel trotzdem, offenbar einem Krebsleiden erlegen. Als sich der Kommissar mit dieser erstbesten Todesursache nicht zufrieden gibt, droht ihm ein ähnliches Schicksal. 

Der weitgehend entspannt inszenierte Film lebt vor allem von der Komplexität der Handlung: Je mehr Wehrschitz mit Hilfe des Archivmaterials seines Vaters über die Historie des Dorfes erfährt, desto deutlicher wird ihm auch seine eigene Vergangenheit. Er hat seinem Erzeuger stets verübelt, dass der sich nie um ihn gekümmert hat; aber die Wahrheit war eine ganz andere. Zur Lösung des Rätsels trägt schließlich eine textlose Ansichtskarte bei, in die mehrere Löcher gestanzt sind; ein kleiner optischer Geniestreich öffnet Wehrschitz die Augen und führt ihn in ein Kinderheim, wo ihn eine echte Überraschung erwartet. Ivo Schneider, der auch das Drehbuch zum kürzlich ausgestrahlten guten "Tatort" mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser geschrieben hat ("Verschwörung"), lässt seinen Helden das Geheimnis wie das Innere einer Zwiebel bloßlegen: Wehrschitz trägt Schicht um Schicht ab, bis er schließlich rausfindet, dass das ehemalige Schulhaus einige Geheimnisse birgt. Eins ist derart grausig, dass es ihm buchstäblich den Atem verschlägt. Die Würdigung beim Auswandererfest ist anscheinend nicht allen Heimkehrern gut bekommen; und beim nächsten Fest soll ihm diese Ehre zuteil werden. 

Da die meisten männlichen Einheimischen dem Klischee des vierschrötigen Hinterwäldlers entsprechen, fällt es Regisseurin Barbara Eder nicht schwer, Lebensmittelhändlerin Eva (Franziska Weisz) umso strahlender erscheinen zu lassen, zumal die anderen Frauen zur sogenannten Kopftuchmafia gehören, einer Gruppe alter Vetteln, die sich über alles und jeden das Maul zerreißen. Dass auch Eva ein düsteres Geheimnis hütet, wird Wehrschitz erst klar, als es offenbar kein Zurück mehr für ihn gibt; der unlogische Epilog wirkt jedoch, als wollten Schneider und Eder ihr Publikum mutwillig verwirren. "Kreuz des Südens" war der erste TV-Krimi der österreichischen Regisseurin, die anschließend mit "Virus" (2017) und "Her mit der Marie!" (2018) zwei vorzügliche Beiträge für den "Tatort" aus Wien inszeniert hat. Ihre letzte Arbeit war die deutsche Netflix-Serie "Barbaren" (2020). Davor hat sie den sehenswerten Thriller "Wiener Blut" (2020, mit Melika Foroutan) sowie den zweiteiligen ZDF-Thriller "West of Liberty" (2019, mit Wotan Wilke Möhring) gedreht.