Kirchenchöre müssen sich warm anziehen

Chor beim nordkirchlichen Chorfest "Dreiklang"
© Oliver Borchert
Hier beim nordkirchlichen Chorfest "Dreiklang" Ende August in Schwerin kamen mehr als 1000 Sänger:innen. Aber wie sieht es mit der Präsenz aus im Blick auf Weihnachtskonzerte?
Zwischen Pandemie und Energiekrise
Kirchenchöre müssen sich warm anziehen
Für Chöre könnte sich der nächste Winter als Herausforderung darstellen. Zwar sind viele Aufführungen und Weihnachtskonzerte geplant. Aber wie in kalten Kirchen weiter geprobt werden soll, darüber berichtet Hans-Jürgen Wulf, Landeskirchenmusikdirektor aus Hamburg in einem Interview mit evangelisch.de.

Hans-Jürgen Wulf ist Landeskirchenmusikdirektor der evangelischen Nordkirche. Im Interview mit evangelisch.de berichtet er, wie Chöre und Chorleiter derzeit auf den Winter blicken. 

Frage: Wie ist die Stimmung gerade in den Chören?

Hans-Jürgen Wulf:
Natürlich sind wirklich alle froh, dass man wieder proben kann und genießen Gemeinschaft und Kontakt und Musik sehr. Unser nordkirchliches Chorfest "Dreiklang" Ende August in Schwerin hatte fast 1000 Teilnehmer und die Begeisterung war groß. 

Was ist anders zu Vor-Corona-Zeiten:

Wulf: Tests, freiwillige Abstände und Hygienekonzepte sind ein Stück Choralltag geworden.  

Wie blicken Sie auf den Winter?

Wulf: Wir sind noch in der Pandemie. Und auf den Herbst und Winter blicken wir mit verhaltener Skepsis. Corona ist immer noch präsent und immer wieder platzen Pläne, weil von 5 Bässen plötzlich nur einer gesund ist oder der halbe Sopran hustet und man Ansteckung vermeiden will oder muss. Es bleibt also bei aller Freude über das Mögliche und die Sehnsucht nach Musik in Gemeinschaft auch Unsicherheit. Ich selbst hatte in einer Probe statt 24 plötzlich 14 Sänger:innen…

Wenn der halbe Sopran plötzlich hustet....

Aber sonst stehen alle Chorsänger:innen wieder im Probenraum oder?

Wulf: Nicht alle Chöre haben schon ihre alte Größe erreicht, hier spielt Vorsicht eine Rolle. Mancherorts gibt es auch echte Abbrüche.

Gibt es auch positive Nachrichten? 

Wulf: Ja, wirklich große Resonanz und Zuwachs vermelden die Kinderchöre.

Warum?

Wulf: Nach der Zeit der Lockdowns und der reduzierten Kontakte, die für die Kinder und Jugendlichen wirklich hart und auch nicht folgenlos waren, suchen alle nach sinnvollen, erfüllenden und aktivierenden Angeboten in Gemeinschaft.

Wie laufen die Planungen für den Winter? Es gibt ja inzwischen wieder viele Konzert-Ankündigungen von Chören mit Requiem und später dem Weihnachtskonzert!

Wulf: Neben der Pandemie beeinträchtigt die Energiekrise Planungen. Nach schwierigen Jahren in der Pandemie sind Auftrittsorte und kirchenmusikalische Angebote bzw. Ziele für den Fortbestand der Chöre und Ensembles und deren Perspektive wichtig. Für die Gesellschaft, die Kirche und das Publikum gilt das in diesen Zeiten vermutlich auch. Zugleich drücken die hohen Energiepreise die Gemeinden. Hier suchen viele nach Kompromissen, die beiden Anliegen gerecht werden.

Die Sehnsucht nach Chor-Gemeinschaft ist offenbar stärker als alle Krisen. Hans-Jürgen Wulf ist Landeskirchenmusikdirektor der evangelischen Nordkirche.

Chöre im "zuversichtlichen Krisenmodus"

Heißt das, die Chöre proben im kalten Gemeindehaus oder der Kirche mit Mantel und Wolldecke?

Wulf: Im Moment werden die Grenzen des Gebotenen, Zumutbaren und Umsetzbaren ausgelotet. Ich würde sagen, wir befinden uns vielerorts in einem mehr oder weniger zuversichtlichen Krisenmodus. Es braucht Kreativität, Flexibilität und Geduld um sich auf wechselnde Umstände einzustellen. Eine Winterjacke oder eine Decke mag da auch dazugehören.