TV-Tipp: "Donna Leon: Reiches Erbe"

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15. August, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Donna Leon: Reiches Erbe"
Es ist eine Gratwanderung: Ein Regisseur, der zwölf Jahre lang mit dem gleichen Ensemble arbeitet und immer wieder ähnliche Geschichten erzählt, will natürlich trotzdem nicht immer wieder den gleichen Film drehen. Mit "Reiches Erbe" ist Sigi Rothemund ein ausgesprochen sehenswerter Kompromiss gelungen.

Der Venedig-Krimi war 2014 die 20. Verfilmung eines Brunetti-Romans von Donna Leon, die 18. Inszenierung von Rothemund und Stammkameramann Dragan Rogulj sowie der 16. Auftritt von Uwe Kockisch in der Hauptrolle. Im Grunde ist es fast unvermeidlich, nach so langer Zusammenarbeit nicht in Routine zu verfallen.

Der Produzent (Benjamin Benedict) ist ebenfalls der gleiche, und auch das Autorengespann Stefan Holtz/Florian Iwersen hat keineswegs zum ersten Mal einen Leon-Roman adaptiert. Trotzdem gehört "Reiches Erbe" zu den besten Filmen der 2019 eingestellten Reihe.

Aus Sicht des Publikums ist naturgemäß viel entscheidender, dass die Erwartungen erfüllt werden: Es gibt sehenswerte Venedig-Motive, der Krimi ist undurchsichtig, aber nicht zu spannend, und es ist wie stets ein besonderes Vergnügen, dem Commissario beim Denken zuzuschauen, weil Uwe Kockisch eine wunderbare Projektionsfläche bietet.

Für viel Augenfutter sorgen aber nicht allein die vielen Schauplätze, selbst wenn es wie in allen Auslandsreihen der ARD-Tochter Degeto deutlich mehr Außenaufnahmen gibt als im herkömmlichen Fernsehkrimi: Ein Merkmal der Brunetti-Filme war stets die fast schon verschwenderische Besetzung. Mag sein, dass der Drehort dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, aber Tatsache ist, dass man außer in so genannten Event-Produktionen selten so viele so gute Schauspieler sieht.

Und dann ist da natürlich noch die Geschichte. Wie schon in dem 2011 ausgestrahlten Film "Das Mädchen seiner Träume", als Guido Brunetti Abschied von seiner Mutter nehmen musste, geht es um ein würdevolles Leben im Alter. Ins Rollen kommt die Handlung nur durch Zufall, weil ein Bestatter am Hals einer angeblich durch Herzversagen gestorbenen Frau Würgemale entdeckt. Sie hatte ehrenamtlich Senioren betreut und einen Pfleger angezeigt. Ausgerechnet Chiara (Laura-Charlotte Syniawa), die Tochter des Commissarios, bringt ihn jedoch auf eine ganz andere Spur.

Würze erhält der Film gerade für langjährige Freunde der Reihe durch eine Personalie, die leider nur ein einmaliges Gastspiel bleiben wird. Meist hat Brunetti mit seinem Chef, Vice-Questore Patta (Michael Degen), mindestens so viel Arbeit wie mit den Verbrechern. Diesmal sind die Pattas gar zu zweit, denn der Chef präsentiert voller Stolz den eigenen Sohn als neuen Staatsanwalt.

David Rott ("Der Mann mit dem Fagott") hatte bis dahin oft genug bewiesen, dass er ein talentierter Schauspieler ist, es kann also nur Absicht sein, dass er den Staatsanwalt wie eine Figur aus einer drittklassigen TV-Produktion anlegt. Da Patta junior zu profilsüchtigen Auftritten neigt, passt das großspurige Gehabe jedenfalls prima zur Rolle. Der übereifrige Jurist provoziert einen Skandal, der die umgehende Schließung des Altenheims zur Folge hätte, so dass Brunetti und Patta senior ausnahmsweise mal nicht nur an einem Strang, sondern auch in dieselbe Richtung ziehen.

Wichtigste der namhaft besetzten Nebenfiguren ist Tilo Prückner als melancholischer Ehemann einer Heimbewohnerin, der die alten Herrschaften mit Lotterielosen versorgt. Ausgesprochen harmonisch ist auch die familiäre Ebene integriert, zumal sich Privat- und Berufsleben des Commissarios nicht zuletzt dank eines diebischen Gastes (Liv Lisa Fries) im Hause Brunetti überschneiden.

Die Musik (Stefan Schulzki) erfreut mit Variationen des Leitmotivs von André Rieu und füllt die akustischen Leerstellen, wenn wieder mal Venedigs Sehenswürdigkeiten  angesagt sind. Ein gerade für Freunde der Reihe anspielungsreicher Film, dessen vielsagend beiläufige Erzählweise in dem von Signorina Elettra (Annett Renneberg) vorgetragenen Stoßseufzer "Ach, Commissario..." kulminiert.