Liebe ist nicht nur Hochgefühl

Nikolaus Schneider und seine Ehefrau Anne Schneider  beim evangelischen Kirchentag in Stuttgart.
© epd-bild/Norbert Neetz
Anne und Nikolaus Schneider (Archivbild) sprechen über ihre Erfahrungen nach dem Unfalltod ihrer Tochter Meike 2005 - so auch bei einem Rundfunkgottesdienst für WDR und NDR.
Leben mit dem Zweifel
Liebe ist nicht nur Hochgefühl
Die Liebe zum Leben und zu Mitmenschen muss nach Ansicht der Theologin Anne Schneider auch Auszeiten aushalten, "in denen unser Fühlen und Denken bestimmt sind von Fragen, Zweifeln, Klagen und Traurigkeit".

In manchen Situationen von Leid und Unrecht sei kein Platz für "sommerliche Leichtigkeit und Lustgefühle", sagte die Ehefrau von Nikolaus Schneider, dem früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in einem Radiogottesdienst in Düsseldorf. "Eine Liebe, die diese Auszeiten nicht zulässt und nicht erträgt, eine solche Liebe kann für mich nicht nachhaltig sein."

In dem von WDR 5 und NDR Info übertragenen Gottesdienst berichtete Anne Schneider vom Krankheitstod ihrer Tochter Meike im Jahr 2005. Seit dieser Erfahrung liebe sie "an gegen eine frömmelnde Liebesideologie, die Liebe nur mit unangefochtenen Hochgefühlen gleichsetzt", sagte die Theologin in einer gemeinsamen Predigt mit ihrem Mann Nikolaus.

"Dass der Lebensweg meiner Tochter schon mit 22 Jahren so leidvoll abgebrochen wurde und dass unsere Gebete um Heilung augenscheinlich ins Leere liefen, das ließ in mir alle eindeutigen und widerspruchsfreien Bilder eines ‚lieben Gottes‘ zerbrechen."

Das Leben mit dem Widerspruch zwischen Gottes Menschenliebe und seiner Allmacht habe bei ihr dazu geführt, dass sie weniger an ein direktes Eingreifen Gottes in das irdische Leben glaube, sagte die frühere Religionslehrerin. "Ich glaube, dass sich Gottes Liebe in der Liebe zeigt, die Menschen einander schenken - durch Gesten und Worte und Taten."

Auch dem früheren EKD-Ratsvorsitzenden und rheinischen Präses Nikolaus Schneider bleibt Gottes Weg mit seiner Tochter Meike "rätselhaft und erschreckend befremdlich". Es sei eine "Zumutung Gottes, dass es auf dieser Erde oft so ungerecht, leidvoll und unfair zugeht", sagte er. Die Frage "Warum hat Gott das zugelassen?" sei bis heute biblisch und theologisch nicht geklärt, er habe aber "gelernt, mit dieser offenen Frage mein Leben zu lieben trotz alledem".

Für seine "Dennoch-Liebe zum Leben" sei die Auferstehungshoffnung von Ostern eine unverzichtbare Kraftquelle: "Alle Kreuze dieser Welt, in meinem privaten Leben wie im politischen Handeln, werden nicht das letzte Wort über meine abgründigen Erfahrungen behalten."