Zerbrechliche Gesichter aus hartem Holz

Zerbrechliche Gesichter in historischen Dachbalken
© epd-bild/Timo Lechner
15 Künstler und Künstlerinnen haben aus historischen Dachbalken aus dem Sebalder Pfarrhof Kunstwerke geschaffen. In der Sebalduskirche in Nürnberg ist vom 4.-22. Juni täglich die sogenannte Ausstellung "Balken" zu sehen.
Balken des Sebalder Pfarrhauses
Zerbrechliche Gesichter aus hartem Holz
Es sind keine gewöhnlichen Balken, aus denen 15 Kunstschaffende kreative Skulpturen geschaffen haben: Sie stammen aus dem Nürnberger Sebalder Pfarrhof und sind über 500 Jahre alt. Die Ausstellung zum Kunstprojekt beginnt am 4. Juni.

Knorrige Gesichter schauen den Betrachter an, daneben filigran geschnitzte, nackte Figuren, Köpfe, die wie indianische Masken wirken, aber auch ein Strauß an kunterbunt eingefärbten Scheiben nebst schwebenden Konstruktionen. Was sich die Künstlerinnen und Künstler ausgedacht haben, ist feingliedrig, imposant, immer überraschend. Entstanden ist alles aus den Balken, die bei der Generalsanierung des Sebalder Pfarrhofs vor wenigen Jahren zum Vorschein kamen, als der historische Dachstuhl geöffnet wurde.

Mit einem Spanngurt hat Beate Baberske eine Liegenauflage befestigt, die um drei mannshohe Balken gewickelt wurde. "Halt geben, mit einfachsten, aber effektiven Mitteln", soll ihre Installation aussagen, die bei einer Stellprobe vorab bereits die Blicke der Touristen auf sich gezogen hat. Mit Nut- und Feder-Verbindung hat Meide Büdel ihre Balken neu angeordnet. Die alten Nägel, die noch aus dem Holz herausstanden, wurden fein säuberlich abgeschliffen und an ihnen ein feines Gespinst aus Drähten angebracht.

Christine Nikol ist eigentlich Malerin und hatte die Balken auch zuerst mit dem Pinsel bearbeitet. "Doch da fehlte was", sagt sie. Jetzt zieren die Enden der Hölzer Vasen, die sie sich kistenweise aus der Nachbarschaft hat bringen lassen und die wiederum frei nach ihrer Fantasie bemalt wurden. Franz Weidinger griff zum Schnitzmesser und entlockte dem harten Holz zerbrechlich wirkende Frauen und Männer, die mit ihren scharfen Konturen in architektonisch konfigurierten Räumen stehen.

Christine Nikol vor ihren Kunstwerken.

Zu schade für die Tonne

"Es war eine Nacht- und Nebelaktion, die Balken zu retten", erinnert sich der Nürnberger Künstler Harald Kienle an den Anruf von Sebaldus-Pfarrer Martin Brons, der die nahezu unversehrten Originalbalken aus dem Jahr 1514 nicht einfach mit dem Bauschutt entsorgen lassen wollte. Kurzerhand gestaltete der Bildhauer aus den rund 60 Balken eine raumgreifende Installation, die dann im Ostchor der Sebalduskirche aufgestellt wurde.

"Ich bin dem Ursprung auf der Spur", meint der Künstler. Kienles Beitrag zur Schau ist eine Installation, bei der er einen Balken in Kleinstarbeit bis auf seinen Holzkern auseinandergenommen und anschließend wieder zusammengesetzt hat. Schon bald nach der ersten kreativen Auseinandersetzung mit den alten Balken, sei die Idee geboren, Künstlerinnen und Künstler aus der Region zu fragen, ob sie die historischen Gehölze in Kunstwerke verwandeln möchten, ergänzt Andrea Franke, Kirchenvorständin und Projektkoordinatorin.

Arbeiten der Ausstellung "Balken – Fünfzehn Künstler und Künstlerinnen arbeiten mit historischen Dachbalken aus dem Sebalder Pfarrhof", in der Sebalduskirche.

Erlös kommt Kirchengemeinde zugute

Zusammen mit der Kunsthistorikerin Christiane Lischka-Seitz und dem Holzbildhauer Stefan Schindler hatte sich dann jeweils eine Gruppe von etablierten Kunstschaffenden und jungen Studierenden an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg formiert, die sich mit dem historischen Material auseinandersetzte. Ziel sei es, die Werke nach der Ausstellung zu verkaufen, der größte Teil des Erlöses kommt dann der Kirchengemeinde zugute, die noch an der 6,7 Millionen Euro teuren Sanierung des Pfarrhofs abzuzahlen hat.

Die entstandenen Werke werden bis zum 22. Juni in der Sebalduskirche und der Akademiegalerie der Industrie- und Handelskammer der Öffentlichkeit vorgestellt. die Gemeinde sei den Kunstschaffenden sehr dankbar, dass sie lediglich ein Aufwandspauschale erbitten und die Werke der Gemeinde zum Verkauf überlassen. Sie verzichten auf die Hälfte des erzielten Preises zugunsten des Fundraising-Projekts verzichten, erklärt Franke. Die nicht verkauften Werke werden in den drei Folgejahren in geeigneten Räumen präsentiert. Eine Auktion ist bereits in Planung.