TV-Tipp: "Friesland: Unter der Oberfläche"

Alter Röhrenfernseher steht vor Wand
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22. Januar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Friesland: Unter der Oberfläche"
Die Einheimischen sehen das garantiert anders, aber zumindest im TV-Krimi gibt es einige Parallelen zwischen Ostfriesland und Ostholstein, und das nicht nur wegen der Küstenlage. Bestatter zum Beispiel scheinen im Norden der Republik etwas speziell zu sein; das legen zumindest die Vertreter dieses ehrbaren Berufs in den Reihen "Friesland" (ZDF) und "Nord bei Nordwest" (ARD) nahe.

Außerdem wird die Beschaulichkeit der Gegend hier wie dort regelmäßig erheblich beeinträchtigt, weil die organisierte Kriminalität ausgerechnet in der Provinz gern ihr Unwesen treibt. Das können Süher Özlügül und Henk Cassens (Sophie Dal, Maxim Mehmet) allerdings nicht ahnen, als sie zur Leiche von Anneke Schwidden gerufen werden. Hauptverdächtig ist zunächst selbstredend der Ehemann: Wenn Frauen ermordet werden, war’s meistens der Gatte. Tatsächlich sieht es ziemlich schlecht aus für Hinnerk Schwidden (Aljoscha Stadelmann): Die untreue Anneke ist an einer Überdosis seines Narkolepsie-Medikaments gestorben. 

Natürlich ist der Fall bei weitem nicht so einfach, sonst wäre die vierzehnte "Friesland"-Episode rasch vorbei. Der Titel "Unter der Oberfläche" deutet ohnehin an, dass hinter den ehrbaren Fassaden von Leer Abgründe lauern. So formuliert es zumindest eine Frau, die eine derart großartige Ergänzung des Ensembles ist, dass sie dem Revierleiter Brockhorst (Felix Vörtler) gern noch öfter auf die Nerven gehen darf. Der Film führt Muriel Danneberg (Eva Meckbach) als undurchsichtige Figur ein, die auch eine Killerin sein könnte.

Tatsächlich entpuppt sie sich als BKA-Kollegin, die einem Cybercrime in großem Stil auf der Spur ist: Just im braven Leer vermutet sie den Standort für einen Zugang zum Darknet, jenem düsteren Bereich des Internets, in dem alle nur denkbaren Verbrechen eingefädelt werden; und als Drahtzieher hat sie Wolfgang Habedank ausgeguckt. Nun hat der Bestatter zwar schon von Berufs wegen einige Leichen im Keller, aber gegen das Gesetz verstößt, wenn überhaupt, allenfalls seine üppige Hanfplantage. Allerdings hat Habedank seinen Service kürzlich um die Offerte ergänzt, sich auch um den digitalen Nachlass seiner Klienten zu kümmern. Zu diesem Zweck hat er Sühers Bruder Yunus (Yunus Cumartpay) engagiert, der anscheinend die Gelegenheit genutzt hat, um Habedanks Kunden zu erpressen; außerdem hat Schwidden ihn am Tatort gesehen.   

Das Drehbuch stammt von Markus B. Altmeyer, der auch die vorzügliche letzte "Wilsberg"-Episode "Gene lügen nicht" geschrieben und zuletzt die Vorlage für den sehenswerten Auftakt zum "Masuren-Krimi" der ARD geliefert hat. "Unter der Oberfläche", sein erstes "Friesland"-Drehbuch, erfreut nicht nur durch die immer größeren Kreise, die der Fall zieht, sondern vor allem durch die geschickte Integrierung der verschiedenen Figuren. Bei Reihen mit einem größeren festen Ensemble wirken die Nebenebenen mitunter wie ein Vorwand, damit alle Mitwirkenden zu ihrem Recht kommen, aber hier stehen sämtliche Handlungsstränge im Dienst der Geschichte. Erneut erweist sich Tina Pfurr in ihrer Rolle als Mitarbeiterin von Apothekerin und Hobbyrechtsmedizinerin Scherzinger (Theresa Underberg) als vorzügliche Ergänzung, und das nicht  nur in komödiantischer Hinsicht. 

Für Heiterkeiten sorgt sonst zumeist der von Scherzinger liebevoll "Brocki" genannte Vorgesetzte des uniformierten Duos, aber hier weckt Brockhorst beinahe Mitgefühl, weil die selbstredend überhebliche BKA-Frau die Ermittlungen an sich zieht und ihn aus seinem Büro vertreibt. Trotzdem wird der Hauptkommissar auch diesmal zur Zielscheibe des Spotts: Er hat es beim Polizeifest ordentlich krachen lassen, was ihm neben einem Filmriss einen ordentlichen Kater beschert. Dass er seither neben der Spur ist, hat jedoch einen anderen Grund, den Altmeyer allerdings erst gegen Ende verrät. 

Ähnlich wie die "Wilsberg"-Krimis erfreut das Drehbuch ohnehin durch diverse Details, mit deren Hilfe sich die Geschichte zügig weiter entwickelt. Das große Geschick, mit dem der Autor die verschiedenen losen Enden schließlich miteinander verknüpft, sodass sich auch vermeintliche Nebensächlichkeiten als Teil des großen Ganzen entpuppen, sorgt schließlich für einige verblüffende Aha-Momente. Sehenswert ist der Film aber auch wegen der Bildgestaltung. Mitunter ist die Kamera (Sebastian Bäumler) für einen Familienkrimi ungewöhnlich agil, außerdem gibt es einige recht flott geschnittene Szenen, aber beides stet stets im Dienst der Handlung. "Unter der Oberfläche" ist Marc Rensings dritte "Friesland"-Inszenierung; seine beiden anderen Beiträge waren ebenfalls sehenswert.