Kurschus: Nächstenliebe gilt auch für Impfgegner

Annette Kurschus
© epd bild/Meike Boeschemeyer
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus rief zu Toleranz und Selbstkritik bei der Auseinandersetzung mit anderen Menschen in Sachen Corona auf.
Botschaft zum Jahreswechsel
Kurschus: Nächstenliebe gilt auch für Impfgegner
Die Pandemie hat das zweite Jahr in Folge die Neujahrsbotschaften geprägt. Von der Nächstenliebe dürfe niemand ausgeschlossen werden, sagte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. Auch weitere Geistliche sprachen sich für Dialog und Toleranz aus.

Die Corona-Pandemie hat auch in diesem Jahr politische und kirchliche Botschaften zum Jahreswechsel bestimmt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) appellierte in seiner ersten Neujahrsansprache an ungeimpfte Menschen, sich die schützende Spritze gegen das Corona-Virus geben zu lassen. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, rief angesichts schärfer werdender Konflikte um die Corona-Maßnahmen am Freitag zu Versöhnung und Toleranz auf. 

Bundeskanzler Scholz sagte laut vorab verbreitetem Redemanuskript: "Meine Bitte: Machen Sie gleich in den nächsten Tagen einen Termin bei einem Impfzentrum, bei einem Arzt oder einer Ärztin. Nutzen Sie die Möglichkeiten, sich spontan und ohne Anmeldung impfen zu lassen! Bitte verschieben Sie es nicht auf demnächst!"

Mit Blick auf die sich derzeit in Deutschland verbreitende hochansteckende Omikron-Variante komme es auf Tempo an: "Wir müssen schneller sein als das Virus!", mahnte Scholz. Die Rede sollte am Silvesterabend im Fernsehen ausgestrahlt werden.

"Eine riesige Solidarität"

Im Rückblick auf das Jahr 2021 erinnerte er an fordernde Zeiten. Die Pandemie mit ihren Belastungen und tiefgreifenden Einschränkungen stecke allen in den Knochen. Und auch das verheerende Hochwasser in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Rheinland-Pfalz werde niemand so schnell vergessen. Zugleich nehme er überall "eine riesige Solidarität" wahr, unterstrich Scholz. Er dankte ausdrücklich allen, "die sich tagtäglich für unser Wohl einsetzen" und nannte dabei Krankenhäuser, Pflegestationen, Arztpraxen, Impfzentren, Polizeireviere und die Bundeswehr.

Kurschus betonte am Freitag in Siegen, von der Nächstenliebe dürfe niemand ausgeschlossen werden. Es gehe um die Fragen: "Wie liebe ich die Impfverweigerer und aggressiven Gegner der Schutzmaßnahmen?" oder "Wie liebe ich diejenigen, die pöbeln, aggressiv sind und sich in Hirngespinste flüchten?", sagte die westfälische Präses laut Predigttext.

Manche hielten solche Fragen in dieser angespannten und buchstäblich lebensgefährlichen Situation für völlig unangebracht, sagte die leitende Theologin weiter. Sie wollten klare rote Linien ziehen und forderten das Ende der Gesprächsbereitschaft. "Doch wenn wir bei der Frage nach der Nächstenliebe diejenigen ausklammern, die uns nerven und provozieren und angreifen, machen wir uns die Sache zu einfach", mahnte Kurschus. Es gehe darum, zu lieben und gleichzeitig eine klare Meinung zu vertreten.

Weitere leitende Geistliche riefen zu Überbrückung von Gräben in der Gesellschaft auf. Der katholische Fuldaer Bischof Michael Gerber appellierte an die Menschen, Polarisierungen zu überwinden und auch Argumente Andersdenkender anzuhören. Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, forderte mehr Einsatz für Schwache, Kranke, Flüchtlinge, Sterbende, misshandelte Kinder und vergewaltigte Frauen. Der Osnabrücker katholische Bischof Franz-Josef Bode ermunterte die Menschen angesichts der Erschütterungen durch Corona, die Herausforderungen der Zeit anzupacken.